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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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Freundin Haley, »entstammen die Worte James’ Kopf. «
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Slim schnitt mir das Wort ab. »Woolworth ist tatsächlich eine streitlustige Figur, aber gerade das mag ich an ihm. Ich [134]  möchte Sie eins fragen. Selbst wenn Woolworth überkritisch ist, hat der Autor ihm zum Ausgleich andere Eigenschaften mitgegeben?«
    Wo ich bin, ist einfach immer peinliches Schweigen. Etliche Mitschüler blätterten die Seiten durch, auf der Suche nach diesen schwer fassbaren ausgleichenden Eigenschaften. Ich sah mich in dem Kreis um. Wer würde Woolworth verteidigen? Das Was-würde-Jesus-tun-Mädchen? Der Wicca? Es musste irgendwen geben, der Woolworths Ansichten teilte. Ich hielt Ausschau nach einem Lächeln, nach irgendwas. Doch alle sahen nach unten auf die Seiten. Und Chloe, die den Stein ins Rollen gebracht hatte, schaute wieder das Einstein-Poster an und wirkte verloren.
    »Ich würde sagen, er hat auf jeden Fall ausgleichende Eigenschaften«, sagte Dannon endlich. »Seine Individualität, wie jemand bereits erwähnte, und außerdem hat er feste Überzeugungen.«
    »Meiner Meinung nach schaut er nicht auf alle herab«, sagte Summer. Ich wusste ja, einer der Freidenker würde mir helfen. »Ich glaube nur, dass er alles und jeden hasst.« Oh.
    »Als Woolworth fast in eine Schlägerei geriet, merkte ich plötzlich, dass ich den anderen Typ angefeuert habe«, sagte Jonathan aus heiterem Himmel. Großer Gott! Wann ergriff der schon mal das Wort!? »Ich bin mir nicht sicher, ob der Autor das erreichen wollte.«
    »Fahr doch zu Hölle, Vaginathan«, lag mir auf der Zunge, doch ich schluckte es mit meinem bisschen Speichel runter. Plötzlich hatte ich einen trockenen Mund, und mir war so warm, dass ich erwog, mein Jackett auszuziehen.
    [135]  »Der Philister wollte doch nur mit seiner Freundin Spaß haben«, sagte der freakige Rock-’n’-Roll-Idiot. »Bei Woolworth hat man den Eindruck, er sitzt auf seinem hohen Ross, besonders mit diesem ganzen Gentleman-Quatsch.«
    »Stimmt«, sagte Kirstie mit der Froschstimme. »Das ganze Ding mit den Klamotten in der Kirche – also echt, ich trag auch Shorts im Gottesdienst.«
    »Leute, das ist nur eine Romanfigur«, sagte ich. »Von mir aus könnt ihr im Bikini zur Kirche gehen.«
    Das Gelächter war schwach, genügte aber, um die Spannung zu lindern.
    »Also, James«, sagte Slim, »wie ich den Diskussionsbeiträgen entnehme, sollten Sie sich vielleicht überlegen, ob Woolworth sich nicht etwas zurücknehmen sollte, wenn er anderen seine Ansichten aufzwingt. Ich würde einwenden, dass es die Figur möglicherweise kastriert, aber seien Sie sich zumindest bewusst, dass Sie eine Grenze überschreiten könnten, nach der manche Leser Sie als moralisierend interpretieren könnten –«
    »Das ist es!«, rief Lauren. » Moralisierend. Das Wort hab ich gesucht. Woolworth moralisiert. Besonders wenn es um sexuelle Dinge geht. Hat noch jemand den Eindruck gewonnen, dass die Krankheit, über die er dauernd geredet hat, sexuell übertragen wurde oder sowas?«
    Jetzt geht’s los, dachte ich.
    Mehrere Schüler nickten. Sogar Dannon nickte.
    »Stimmt«, sagte er. »Er erwähnt es zwar nicht direkt, was ich cool finde, aber es liegt irgendwie in der Luft. Und ich verstehe, was ihr mit überkritisch meint.«
    Weshalb musste er überhaupt an diesem Kurs [136]  teilnehmen? Sollte er nicht irgendwo in einer Großstadt sein und mit schönen Schlampen, deren Atem nach Kotze roch, Angel Dust rauchen?
    »Tut mir leid, dass ich mich immer wieder einschalte«, sagte ich, »aber es ist keine Geschlechtskrankheit. Ich lasse den Leser zunächst in dem Glauben, doch gegen Ende des Buchs erfährt man, dass es keine ist. Das ist einer der Nachteile, wenn man einen Auszug für eine Kritik verteilt, aber ich kann erklären, was wirklich Sache ist.«
    »Wir schließen das rasch ab«, sagte Slim, »dann haben Sie das Wort.«
    Für Slim war all das bestimmt schwierig, da er mich einerseits wohl für labil hielt und mich schützen wollte, andererseits aber lange, kontrovers geführte Diskussionen in seinen Kursen genoss. Diese Kursdebatten glichen am Ende häufig Gruppentherapiesitzungen, daher wusste ich, dass über die Hälfte meiner Mitschüler Scheidungskinder waren.
    Während mein Schweiß zu fließen begann, entschloss ich mich, jedes Mal Notizen zu machen, wenn einer etwas sagte, damit ich die Vorwürfe widerlegen konnte, wie ein Politiker, der darauf wartet, seinen

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