Ich gegen Osborne
beklagte, dass ihre Pläne für den Ball zerschlagen worden waren, kam das Maskottchen, dessen Gesicht mich an eine Kartoffel erinnerte, nach vorn und bat Dannon, seinen Gips zu signieren, woraufhin ich dachte: Wie sollen ich und alle anderen sich fühlen, wenn du Dannon als einzigen Schüler für würdig erachtest, deinen Gips zu signieren? Ich war froh, dass ich ihm seinen Abschlussball genommen [261] hatte, und beschloss, dieses flüchtige Gefühl von Zufriedenheit zu genießen.
Dann weckte ein anderes Gespräch meine Aufmerksamkeit:
»Du weißt doch, wie Gerüchte sind. Du darfst nicht alles glauben, was du hörst. Das wurde alles total aufgebauscht.«
»Aber du warst doch mit ihr da unten. Weißt du nicht, was passiert ist?«
»Jeder hat sein eigenes Ding gemacht, sobald wir da hingekommen sind.«
»Stimmt das mit Hamilton Sweeney?«
»Ich weiß nur, dass sie sich unterhalten haben, mehr weiß ich nicht.«
»Und Tate Baker?«
»Dass das nicht stimmt, weiß ich genau. Die beiden hatten rein gar nichts miteinander.«
»Was hat sie nun da unten wirklich gemacht?«
»Gar nichts. Das sind alles bloß Gerüchte.«
Die Sprechenden waren Christy und Madison, der Chorsänger, mit dem Chloe früher zusammen gewesen war. Bis zu diesem Augenblick hatte ich Madison immer als Rivalen betrachtet. Ich wartete auf die passende Gelegenheit und sagte dann: »Verzeihung, aber ich habe zufällig euer Gespräch mit angehört und nehme an, ihr habt euch über Chloe Gummere unterhalten.«
»Ja.« Er war ein gepflegter Fußballspieler, ausgezeichneter Schüler und sah besser aus als ich.
»Zufällig ist Chloe eine Bekannte von mir. Was ich über sie gehört habe, hat mich irritiert.«
»Mich auch. Das ist nicht die Chloe, die ich kenne.«
[262] »Ich mache unter anderem sie verantwortlich«, sagte ich leise und mit einem Kopfnicken Richtung Christy. »Hätte sie Chloe nicht eingeladen, mit nach Panama City zu kommen, wäre all das nicht passiert.«
»Keine Ahnung. Es hätte ohnehin passieren können.«
»Das stimmt. Wenn ich an ihre neuen Schuhe denke, da gab es irgendwelche tiefergreifenden Veränderungen. Mich überrascht, dass ich die Zeichen nicht erkannt habe.«
»Was haben neue Schuhe damit zu tun?«
»Ich glaube, sie wollte ihre Identität ändern.«
»Oder einfach nur neue Schuhe kaufen.«
Mir gefiel sein Ton nicht. »Wahrscheinlich hast du Recht.« Ich schlug abrupt mein Lehrbuch auf, damit er wusste, dass ich nicht mehr reden wollte. Was hatte ich mir bloß dabei gedacht?
Madison fuhr fort: »Ehrlich, ich rede nicht mal mehr mit Chloe, bin aber über sie auf dem Laufenden geblieben, und ich dachte, das muss ein Mädchen gewesen sein, das nur wie Chloe aussah oder sowas. Es ist verrückt.«
»Nicht wahr? Und doch können wir nicht mal unterstellen, dass die verrückten Dinge, die sie getan hat, falsch waren, weil die Leute sonst Sachen sagen wie, tja, es ist ja ihr Körper. «
»Oh, absolut. Es ist ihr Körper. Das sehe ich genauso.«
»Stimmt.« Ich widmete mich wieder meinem Buch, und diesmal ließ er mich in Ruhe.
Dass ich mich Stephanie offenbart hatte, hatte auch etwas Gutes: Ich musste mich nicht länger verstellen.
[263] 12 . 21 Mr. Hulette sah mich mit seinem spöttischen Grinsen an und sagte auf Deutsch: »Guten Tag, Herr Weinbach.« Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, meinen Nachnamen auf deutsche Art auszusprechen, war aber zu dem Schluss gekommen, dass mein Leben auch so schon kompliziert genug war.
»Guten Tag, Herr Hulette.«
»Helfen Sie den Reinigungskräften?«
»Wie bitte?«
»Ich habe beobachtet, wie sie Müll in ihre Tasche steckten.« Mr. Hulette bestand nicht darauf, sämtliche Gespräche in der Fremdsprache zu führen, um seine Schüler zu prüfen. Er sagte, er wisse noch, wie ihn seine eigenen Lehrer genervt hätten, die darauf bestanden hatten.
»Ach so – das. Ich sammle, was Schüler fallenlassen. Das mache ich seit der neunten Klasse, und nach meinem Abschluss werde ich ein Kunstwerk daraus machen, eine Art Multimediaprojekt. Ich habe zu Hause drei volle Schuhkartons davon. Ich werd das kombinieren, es zu einem großen Kunstwerk formen.«
»Ganz schön kreativ!«, sagte er, aber bei seinem fröhlichen Grinsen ließ sich schwer sagen, ob er sich über mich lustig machte oder nicht.
»Hatten Sie angenehme Ferien?«, fragte ich.
»Ich schätze schon. Meist habe ich in der Ecke gesessen und gelesen.«
»Das klingt nett.«
»War es auch. Was ist mit
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