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Ich gegen Osborne

Ich gegen Osborne

Titel: Ich gegen Osborne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Goebel
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mögliche [255]  Reaktion zu überlegen. Dann kam Chloes Freundin Christy herein, ein Mädchen, das sich am besten mit in jeder nur denkbaren Hinsicht als durchschnittlich beschreiben ließ, und reichte mir ein gefaltetes Blatt aus einem Notizblock, auf dem in hübscher, eleganter Handschrift mein Name stand.
    »Das soll ich dir geben.«
    »Danke.« Das war eine der wenigen Gelegenheiten, bei der wir miteinander gesprochen hatten. Man sollte meinen, mit Chloe als gemeinsamer Freundin hätten wir uns häufiger unterhalten, doch Christy sprach hauptsächlich mit dem Jungen, der links von mir saß (und auch Verbindungen zu Chloe hatte), während ich hauptsächlich mit Mr.   Hulette sprach, da ich Erwachsene vorzog.
    Während ich horchte, ob hinter mir mein Name erwähnt wurde, faltete ich den Zettel auf, dankbar für die Ablenkung. Falls Mr.   Hulette sah, wie ich so einen Zettel entfaltete, würde er sich bestimmt über mich lustig machen, doch er war damit beschäftigt, einen zweiten Schüler auf den neuesten Stand zu bringen, und musste all das wiederholen, was er dem Maskottchen gerade gesagt hatte.
    Noch nie hatte ich so einen Brief bekommen. Mich amüsierte, dass ich ausgerechnet zu dem Zeitpunkt an diesen Teenager-Aktivitäten teilnahm, als meine sämtlichen Verbindungen zu meiner Altersgruppe jeden Moment dauerhaft durchtrennt werden würden.
    12.15 Lieber James,
    ich weiß, wie sehr es dich irritiert, wenn Leute einander Briefchen schreiben und sie so zusammenfalten wie [256]  das, was du gerade in den Händen hältst. Verzeih mir also, dass ich mich zu dieser kindischen Form der Kommunikation herablasse. Aber da ich dir in der Cafeteria nicht alles sagen konnte, was ich auf dem Herzen hatte, hole ich es jetzt nach.
    Ich schreibe das im Computerraum. Mr.   Eadies Einführung in die Computerkunde. Genau wie immer haben alle die Aufgabe erledigt und reden jetzt nur noch. Mir wäre es übrigens lieber, er hätte uns mehr Arbeit gegeben. Hier gibt es keinen, mit dem ich reden könnte. Im Moment reden alle über den Ball. Einige scheinen von Panik ergriffen zu sein. Ziemlich lustig. Verzeihung. Das war gemein von mir. Aber es ist wirklich lustig. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie im Leben noch nicht viel durchgemacht haben. Vor dem Hintergrund war die Absage des Abschlussballs vermutlich gut für sie.
    Du weißt ja wohl, dass man über das redet, was in Slims Kurs vorgefallen ist. In der dritten Stunde hörte ich jemanden sagen, du seiest »ausgerastet«, und ich hätte für dich Partei ergriffen. Was die Dinge angeht, die du zu mir gesagt hast… das sah dir nicht ähnlich, und ich trage dir nichts nach. Ich kann mir nicht vorstellen, was du durchgemacht hast. Ich finde es schlimm, dass du im Spring Break mit all dem fertig werden musstest, während ich ausgerechnet in Panama City war. Wäre ich hier gewesen, hätte ich alles für dich getan. Ich würde immer noch alles für dich tun. Ich habe gehört, wie du Teenager »eine gedankenlose, unzuverlässige Gattung« genannt hast, und leide unter der Vorstellung, dass ich nun mit all den anderen in einen Topf geworfen werde.
    [257]  Und was unser Gespräch in der zweiten Stunde angeht… Also, ich finde, du hast mit deiner Andeutung nicht völlig falschgelegen, ich hätte dir den Eindruck vermittelt, wir wären mehr als nur Freunde. Du hast Recht. Jedes Mal, wenn du ein anderes Mädchen erwähnt hast, bin ich sauer geworden. Weil ich dich für mich allein haben wollte. Du bist ein erstaunlicher Mensch, James. Hoffentlich weißt du das. Du bist anders als jeder andere Mensch, den ich kenne. Ich habe jeden Augenblick genossen, den wir zusammen verbracht haben, und ich hoffe, dass wir noch viele, viele weitere gemeinsame Augenblicke haben werden, falls du je wieder mit einem Mädchen zusammen gesehen werden willst, »das sich in Panama City jedem X-Beliebigen hingegeben hat«. Ha.
    Glaub bitte nicht, was du über mich gehört hast. Ich möchte nicht darüber reden, aber eins will ich dir sagen – nämlich dass das, was mir zu Ohren kam, extrem übertrieben ist. Das meiste davon ist schlicht falsch. Ich schäme mich so, wenn ich durch den Flur gehe und mich alle anglotzen. Am liebsten würde ich mich für das restliche Schuljahr in meinem Spind einschließen. Ich wollte ein »schlimmes Mädchen« sein, und da bin ich, ein schlimmes Mädchen, und große Überraschung: Es ist furchtbar.
    Tut mir leid, dass ich gegenüber Hamilton deinen Namen erwähnt habe.

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