Ich gehoere zu dir
einen Pfosten gekettet wurde und Victor selten in meine Nähe kam. Oft sah ich ihn aber durchs Küchenfenster, wie er am Tisch saß, rauchte und trank. Manchmal kam er nachts in den Hinterhof, um zu urinieren, und nur dann sprach er mit mir. »Was guckst du so blöd?«, blaffte er beispielsweise und lachte dann, aber sein Lachen klang nie glücklich.
Die Tage wurden wärmer, und um mir etwas Schatten zu verschaffen, buddelte ich zwischen dem kaputten Zaun und einer herumstehenden Maschine ein Loch in die Erde.
»Der Hund hat mein Schneemobil ganz dreckig gemacht«, schrie Victor, als er sah, was ich getan hatte.
»Das Ding fährt doch schon seit zwei Jahren nicht mehr«, schrie die Frau, Lisa, zurück.
Überhaupt schrien die beiden oft. Es erinnerte mich ein wenig an Mom und Dad. Auch sie waren oft laut und böse gewesen, aber trotzdem war es hier anders. Häufig hörte man dazu noch Gepolter und Schmerzensschreie. Meist klirrten dann auch Flaschen und fielen scheppernd zu Boden.
Hinter dem kaputten Holzzaun wohnte eine nette alte Frau, die irgendwann anfing, an den Zaun zu kommen und mit mir durch die Löcher und Lücken in den Holzbrettern hindurch zu sprechen. »So ein schöner Hund! Hast du denn heute schon Wasser bekommen?«, flüsterte sie eines Morgens, als es zum ersten Mal richtig heiß wurde. Dann ging sie wieder fort, kam aber gleich darauf mit einer Kelle wieder, aus der sie kühles Wasser in meinen schmutzigen Napf goss. Ich schleckte es dankbar auf und leckte dann die dünne, zitternde Hand, die mir die Frau durch die Zaunlücke hinhielt.
Die Fliegen, die meine Hundehaufen umschwirrten, landeten manchmal auf meinen Lefzen oder Augen und machten mich ganz wild, aber meist fand ich es ganz okay, faul im Hinterhof herumzuliegen. Hauptsache, ich kam Victor nicht in die Quere. Er machte mir Angst, denn er strahlte etwas Bösartiges und Gefährliches aus. Es erinnerte mich an Todd und den Mann mit der Waffe, der Jakob verletzt hatte. Beide hatte ich gebissen, und ich fragte mich, ob ich eines Tages auch Victor beißen würde.
Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass der Sinn meines jetzigen Lebens darin bestehen sollte, Menschen anzugreifen. Das war völlig inakzeptabel. Schon bei dem bloßen Gedanken wurde mir übel.
Wenn Victor nicht zu Hause war, bellte ich, und dann kam Lisa aus dem Haus, fütterte mich und ließ mich für eine Weile von der Kette. Aber sobald Victor anwesend war, bellte ich nie-niemals.
Die Frau von der anderen Seite des Zauns brachte mir manchmal kleine Fleischstücke mit und warf sie durch die Zaunlücke. Wenn ich das Fleisch in der Luft auffing, lachte sie und freute sich so sehr, als hätte ich ein kompliziertes Kunststück vollbracht. Der einzige Sinn meines Lebens schien darin zu bestehen, dieser geheimnisvollen Frau, deren Gesicht ich nie richtig sehen konnte, ein wenig Freude zu bereiten.
»Es ist eine Schande, eine wahre Schande!«, sagte sie. »Das können sie einem Tier doch nicht antun! Ich sollte es melden.«
Ich spürte, wie gern sie mich hatte, aber merkwürdigerweise kam sie nie zu mir in den Hof, um mit mir zu spielen.
Eines Tages fuhr ein großes Auto vor, und eine Frau stieg aus, die genauso gekleidet war wie Maya. Deswegen wusste ich, dass es eine Polizistin war. Einen Moment lang glaubte ich, sie sei gekommen, um mit mir Such zu machen, aber dann stellte sie sich bloß an die Hoftür, sah lange zu mir herüber und schrieb sich etwas auf. Irgendwie ergab das keinen Sinn. Dann trat Lisa aus dem Haus und stemmte die Hände in die Hüften. Vorsichtshalber legte ich mich hin. Die Polizistin überreichte Lisa ein Blatt Papier.
»Dem Hund geht es gut«, schrie Lisa die Polizistin an. Offenbar war sie sehr wütend. Ich spürte, dass die alte Frau hinter dem Zaun stand, und ich hörte sie atmen, während Lisa herumschrie.
An diesem Abend brüllte Victor noch lauter und länger als sonst, und immer wieder kam das Wort »Hund« dabei vor.
»Warum erschießen wir den verdammten Hund nicht einfach?«, brüllte er. »Fünfzig Dollar? Wofür? Was haben wir denn getan?« Etwas ging im Haus zu Bruch, und es polterte so laut, dass ich mich vorsichtshalber ganz klein machte.
»Wir müssen uns eine längere Kette besorgen und den Hof saubermachen«, brüllte Lisa zurück. »Lies den Strafzettel doch selbst!«
»So weit kommt es noch! Die können uns doch nicht vorschreiben, was wir auf unserem eigenen Grund und Boden tun und lassen!«
Als Victor in dieser Nacht im
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