Ich gehoere zu dir
übertriebene Aufgeregtheit, mit der Menschen einem Hund klarmachen wollten, dass sie etwas Gutes in petto hatten. Dann stellte er mit lautem Scheppern einen Blechnapf auf die oberste Stufe einer kurzen Treppe.
Als ich das Wort »Abendessen« hörte, blieb ich wie angewurzelt stehen, und im nächsten Moment kam ein massiger Hund mit einem Riesenmaul die Treppe herunter, um sein Geschäft im Vorgarten zu verrichten. An seinen Bewegungen erkannte ich, dass er alt war. Er schien mich nicht zu riechen, ging die Treppe wieder hinauf und schnupperte an seinem Futter. Dann kratzte er mit der Pfote an der Tür. Kurz darauf wurde sie geöffnet.
»Ist das dein Ernst, Leo? Willst du wirklich nichts fressen?«, fragte der Mann. Er klang so traurig, dass ich daran denken musste, wie Al an meinem letzten Tag mit ihm und Maya im Hof geweint hatte. »Na gut, dann komm rein, Leo.«
Der Hund winselte und hatte offenbar Schwierigkeiten, die Hinterbeine die letzte Stufe hochzuhieven. Der Mann beugte sich vor und trug ihn sanft und vorsichtig ins Haus.
Ich fand den Mann sehr sympathisch und dachte: Das könnte mein neues Zuhause werden. Der Mann liebte seinen Hund Leo, und genauso würde er mich lieben. Er würde mich füttern, und wenn ich alt und schwach wurde, würde er mich ins Haus tragen. Selbst wenn hier niemand mit mir Such, Schule oder eine andere Arbeit verrichtete, wüsste ich zumindest, wo ich hingehörte. Das verrückte, sinnlose Leben, das ich als Bär geführt hatte, wäre vorbei.
Ich ging auf das Haus zu und tat das einzig Vernünftige: Ich leerte Leos Fressnapf. Nachdem ich bei Lisa und Victor wochenlang nur fades, zähes Futter bekommen hatte, kam mir das saftige Fleisch in Leos Napf wie das Köstlichste vor, das ich je gefressen hatte. Als ich fertig war, leckte ich den Napf so ungestüm aus, dass er an die Hauswand stieß. Das Geräusch musste Leo alarmiert haben, denn er bellte kurz auf. Dann hörte ich ihn an die Tür kommen, und es schien ihn so anzustrengen, dass er schnaufte. Er knurrte, und je deutlicher er meine Witterung auf der anderen Seite der Tür wahrnahm, umso lauter wurde sein Knurren. Vermutlich war er von der Idee, dass ich hier einzog, deutlich weniger begeistert als ich.
Ich lief so schnell die Treppe hinunter, dass ich zwischen den Bäumen verschwunden war, als Licht gemacht und der Vorgarten hell beleuchtet wurde. Leo knurrte so feindselig, dass seine Botschaft klar war: Ich sollte mir ein anderes Zuhause suchen. Kein Problem. Mein Hunger war fürs Erste gestillt, und mein Wunsch, hier zu leben, hatte sich gelegt.
Irgendwo im hohen Gras legte ich mich schlafen. Ich war müde, aber mit vollem Magen wesentlich zufriedener als noch wenige Minuten zuvor.
Als ich tags darauf von den Vororten in die Stadt gelangte, war ich wieder hungrig. Ich war irritiert. Alles sah anders aus als früher. Hier standen viele neue Häuser, und in den Straßen wimmelte es von Autos und Kindern. In meiner Erinnerung hatte es hier nichts als Felder gegeben. Doch dann fand ich den Ort, an dem Grandpa und seine Freunde immer gesessen und stinkenden Saft ausgespuckt hatten: Hier roch es genau wie damals. Allerdings hatte man die Fenster mit verwitterten Brettern zugenagelt, und das Nachbargebäude war von einem klaffenden, matschigen Loch verschluckt worden. Am Fuße des Loches arbeitete eine Maschine, die große Haufen Erde vor sich her schob.
Menschen konnten so etwas: alte Häuser abreißen und an ihrer Stelle neue bauen, wie damals, als Grandpa die neue Scheune gebaut hatte. Sie veränderten ihre Umgebung nach ihren Wünschen, und den Hunden blieb nichts anderes übrig, als sie zu begleiten und, wenn sie Glück hatten, mit ihnen Auto zu fahren. Der große Lärm und die vielen neuen Gerüche sagten mir, dass die Einwohner dieser Stadt in Punkto Veränderung sehr fleißig gewesen waren.
Einige Menschen sahen misstrauisch zu mir herüber, als ich durch die Straßen trottete, und dabei fühlte ich mich wieder wie ein schlechter Hund. Nun, da ich hier war, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich kam an einer großen Mülltonne vorbei, aus der ein Müllbeutel gefallen war, und ich schämte mich, als ich ihn aufriss und ein Stück Fleisch in einer klebrig-süßen Soße herauszerrte. Statt es an Ort und Stelle zu verschlingen, verzog ich mich damit hinter die Mülltonne und versteckte mich vor den Menschen, so wie meine erste Mutter es mir beigebracht hatte.
Irgendwann gelangte ich beim Umherstreifen zu dem
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