Ich gehoere zu dir
Hundepark. Unter den Bäumen am Rand blieb ich sitzen und beobachtete neidisch, wie die Leute Scheiben warfen, die ihre Hunde dann in der Luft fingen. Ohne Halsband kam ich mir regelrecht nackt vor, und eigentlich wäre es besser gewesen, sich ein bisschen zurückzuhalten. Aber die Hunde tollten so ausgelassen auf der großen Wiese herum, dass es mich magisch anzog, und ehe ich mich recht versah, war ich mitten unter ihnen. Wir wälzten uns durchs Gras, rannten um die Wette, und ich vergaß alles um mich herum, weil es einen ungeheuren Spaß machte, einfach nur ein verspielter Hund zu sein.
Manche Hunde machten bei dem Herumgebalge nicht mit, sondern blieben bei ihren Menschen, schnüffelten am Rand der Wiese entlang und taten, als sei ihnen völlig egal, wie sehr wir uns amüsierten. Andere wiederum jagten begeistert Bällen oder den fliegenden Scheiben hinterher. Doch früher oder später wurden alle von ihren Menschen zurückgerufen und durften dann in Autos einsteigen. Alle außer mir. Aber niemand schien zu bemerken, dass ich weder Herrchen noch Frauchen hatte. Gegen Ende des Tages kam eine Frau mit einer großen, hellbraunen Hündin in den Park und ließ sie von der Leine. Ich war inzwischen ganz erschöpft vom Herumtollen, lag hechelnd auf der großen Wiese und beobachtete zwei Hunde beim Balgen. Die hellbraune Hündin lief gleich zu ihnen hin und wollte mitmachen. Die beiden hielten kurz inne, und sie beschnupperten einander schwanzwedelnd. Ich sprang auf, um die Neue ebenfalls zu begrüßen, und fiel aus allen Wolken, als ich den Duft in ihrem Fell erkannte.
Sie roch nach Hannah. Dem Mädchen.
Die hellbraune Hündin wurde ungeduldig, weil ich gar nicht aufhörte, an ihr zu schnuppern, und riss sich von mir los, um endlich mit Spielen anzufangen. Aber ich ignorierte das Kopfnicken, mit dem sie mich zum Mitmachen aufforderte und raste stattdessen quer über die Wiese auf ihre Besitzerin zu.
Die Frau auf der Bank war aber nicht Hannah, obwohl auch sie diesen intensiven Duft verströmte. »Na, Hundchen, was bist du denn für einer?«, begrüßte sie mich, als ich schwanzwedelnd auf sie zukam. Wie sie so dasaß, erinnerte sie mich an Maya, kurz bevor Baby Gabriella zu uns kam. Die Frau war müde und fühlte sich gar nicht wohl. Immer wieder betrachtete sie ihren Bauch und legte die Hände darauf. Ich stupste sie mit der Nase an, sog Hannahs Geruch ein und versuchte, ihn von dem der Frau, dem der lebhaften hellbraunen Hündin und all den anderen Gerüchen zu unterscheiden, die Menschen immer an sich hatten und einen Hund ganz schön verwirren konnten, wenn er im Suchen nicht so geübt war wie ich. Ich war mir ganz sicher, dass diese Frau erst kürzlich mit dem Mädchen zusammen gewesen war.
Die Hündin mit dem hellbraunen Fell kam zu uns herüber und schien fast ein wenig eifersüchtig zu sein. Da ich sie nicht brüskieren wollte, ließ ich mich von ihr in eine freundschaftliche Rauferei verwickeln.
Als es Nacht wurde, zog ich mich in eine dunkle Ecke zurück, in der ich mit meinem schwarzen Fell kaum zu sehen war, und beobachtete, wie die letzten Wagen vom Parkplatz fuhren und im Hundepark Ruhe einkehrte. Mich zu tarnen und im Hintergrund zu halten fiel mir plötzlich wieder so leicht, als hätte ich nie woanders gelebt als in dem ausgetrockneten Flussbett und zusammen mit Schwesterchen, dem Schnellen und dem Hungrigen die Regeln unserer ersten Mutter befolgt. Es war nicht schwer, Futter aufzutreiben. Überall standen Mülleimer herum, die voller köstlicher Abfälle waren. Ich mied Scheinwerfer und Fußgänger, versteckte mich im Dunkeln und lebte wie ein wildes Tier.
Trotzdem hatte mein Leben wieder einen Sinn und ein Ziel, und dieses Gefühl war sogar noch stärker als die innere Stimme, die mich in die Stadt geführt hatte. Denn wenn nach all der Zeit und all den Veränderungen das Mädchen Hannah hier war, dann war wahrscheinlich auch der Junge nicht weit.
Und dann würde ich früher oder später seine Witterung aufnehmen. Ich würde Ethan finden.
Neunundzwanzig
Eine Woche darauf lebte ich immer noch in dem Hundepark.
Die Frau, die nach Hannah roch, kam fast jeden Tag mit der lebhaften hellbraunen Hündin, Carly, hierher. Der Geruch des Mädchens ermutigte mich immer wieder aufs Neue, und ich war fest davon überzeugt, dass auch Ethan irgendwo in der Nähe war, und das, obwohl Carly nie nach ihm roch, kein einziges Mal. Wenn ich sie und die Frau kommen sah, verließ ich mein Gebüsch und lief
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