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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihrer Staffelei, dann fiel sie mir um den Hals und küßte mich. Sie weinte vor Glück und drückte sich eng an mich. »Du bist so lieb«, sagte sie schluchzend. »Du bist wie eine zweite Mutter.«
    Ich legte den Arm um ihre Schulter und drückte sie an mich. An ihren Locken vorbei starrte ich auf das dunkle Rechteck des Fensters, hinter dessen Scheibe die Leuchtreklamen eines neuen Kinos aufzuckten.
    Wie schlecht bin ich, dachte ich dabei. Wie hundsgemein bin ich! Ich betrüge sie, wie ich sie ärger nicht betrügen kann. Ich werde in ihr eine Welt zerstören, den Glauben an das Gute, Wahre, Reine. Ich werde sie enttäuschen, daß sie zeit ihres Lebens daran zu tragen haben wird. Und sie küßt mich und nennt mich eine zweite Mutter.
    Ich biß mir auf die Lippen, bis es weh tat.
    »Ich wünsche dir viel Glück«, sagte ich stockend. Es war mir, als sei jedes Wort in Galle getaucht und verbrenne meinen Hals.
    Die halbe Nacht hindurch suchten wir aus den Mappen und Bildern Brigits die schönsten heraus. Wir trafen eine strenge Auswahl, denn Brigit sollte mit Bildern zu Lorrain reisen, die fertig waren, ausgereift, Zeugnisse ihres jungen Künstlertums.
    Während wir suchten und verglichen, verwarfen und zur Seite legten, auf dem Boden sitzend, Zigaretten rauchend und einen Aperitif trinkend, stellte ich mir vor, wie sie Monsieur Lorrain benehmen würde, wenn Brigit in sein Geschäft trat und in ihrer sicheren Art sagte: »Hier bin ich!«
    Lorrain würde sie gar nicht mehr kennen. Wer behält schon das Gesicht eines kleinen Mädchens, dem man einmal in Paris, aus einer Laune heraus vielleicht nur, ein Aquarell abgekauft hatte? Und nun würde da ein schönes Mädchen im Laden stehen, mit dicken Mappen unter dem Arm und sagen: »Hier bin ich!« Und Monsieur Lorrain würde antworten: »Schön, was wollen Sie?« Das würde für Brigit ein Schock sein, und bestimmt würde sie dann weinen, ganz klein und kindlich weinen.
    Ich zwang mich, nicht mehr an diese verteufelt scheußliche Situation zu denken und ließ mir von Brigit, die singend durch unsere kleine Wohnung tänzelte, den Kaffee bereiten. Ich aß ein paar Bissen, legte mich dann ins Bett und löschte sofort das Licht.
    Übermorgen, dachte ich, und keine Reue Brigit gegenüber hatte mehr Platz bei diesem Gefühl der Sehnsucht, übermorgen schlafe ich in den Armen Gastons ein; irgendwo an der sonnigen Riviera, umrauscht von Palmen und dem tintenblauen Mittelmeer, umweht vom Salzwind und getragen von einem immerwährenden Frühling.
    So schlief ich ein, wie ein kleines, dummes Mädchen, dem man eine Puppe schenkte und das sie mit ins Bett nimmt und von ihr träumt.
    Am Mittwoch fuhren wir.
    Brigit verließ Paris mit dem Sieben-Uhr-Frühzug, Gaston und ich nahmen den Zug gegen Mittag. Ich hatte die Kraft, Brigit noch zum Bahnhof zu begleiten, ich trug ihr Gepäck, küßte sie und wünschte ihr sogar viel Erfolg. Dann stand ich am Bahnsteig und winkte, bis die lange, dunkle Schlange des Zuges im Nebel des frühen Tages verschwand und nur das Rattern der Räder noch durch den Morgennebel zu mir herübertönte. Ich verließ schnell den Bahnhof, ließ mich mit einem Taxi nach Hause fahren und raffte die Koffer, die ich heimlich gepackt und auf dem Bodenraum versteckt hatte.
    Erst als ich mit Gaston allein in einem Abteil Erster Klasse saß und die Landschaft der Seine an uns vorbeiflog, als ich seinen Arm um meine Schulter fühlte, erst da atmete ich auf und fühlte mich von einem Druck befreit, der mein Inneres ausfüllte. War es Reue, war es doch das Gewissen?
    Ich starrte auf die vorbeirasende Landschaft. Pappeln, kleine Villen, ein Flußlauf, Felder mit arbeitenden Bauern, ein paar Weinstöcke, und darüber Sonne und Frieden und stilles Glück.
    »Wohin fahren wir?« fragte ich und tastete nach Gastons Hand.
    »Nach Juan les Pins, Liebes.«
    »Ist das nicht sehr, sehr teuer?«
    »Einmal im Jahr sollten wir nicht nach Preisen fragen, sondern nur danach, ob es uns gefällt! Einmal im Jahr darf man leichtsinnig sein! Das müßte man dem Leben schuldig sein!« Er umfaßte mich, Kopf an Kopf sahen wir hinaus in die sonnige Landschaft. »Und mit dir will ich diese beiden Wochen verprassen wie ein Nabob. Ein Verschwender will ich sein – der Alltag kommt früh genug zu uns zurück. Jede Stunde, die wir verlieren, ist für immer verloren; es läßt sich nichts zurückdrehen oder aufhalten. Darum, Liebes, geizen wir mit jeder Stunde, jeder Minute, genießen wir die Freiheit, in

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