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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lehnte neben mir auf der Brüstung eines Strandcafés und zeigte auf das Meer hinaus. »Ein Hai!« sagte er.
    Ich starrte auf die schreckliche Rückenflosse, die sich – unbeirrt von der Panik am Strand – schnell auf das Ufer zubewegte und dann vor einer der Klippen unter der Oberfläche verschwand. Von unserem Standplatz aus sahen wir dicht unter der gekräuselten Fläche einen langen, schlanken Fischkörper durch das Wasser gleiten, einen Bogen schlagen und wieder hinaus zum freien Meer schwimmen.
    Am Strand stauten sich die Menschen. Auf den Terrassen der Hotels und der Cafés auf den Felsen hingen sie wie Trauben; die Boote der Fischer glitten ins Meer und wurden mit kräftigen Schlägen zu den Klippen gerudert, während der weiße Kahn, der den Hai zuerst gesehen hatte, unter einem Felsen liegenblieb. Der Mann tröstete seine weinende Frau.
    »Hätte er die Badenden angegriffen?« fragte ich und umklammerte Gastons Arm. Gaston zuckte mit den Schultern.
    »Aus Dalmatien hat man in letzter Zeit gehört, daß Haie öfter Badegäste angegriffen haben. Zweimal hat es sogar Tote gegeben! Aber hier, an der Riviera, habe ich noch nichts davon gehört. Meistens sind es Grundhaie, die keinen Menschen angreifen. Aber es ist durchaus möglich, daß sich ein Menschenhai von Afrika herüber bis nach Frankreich verirrt und dann zu wildern beginnt.«
    »Ich werde nicht mehr baden«, sagte ich zusammenschaudernd. Der Gedanke, von einem Hai angefallen zu werden oder zusehen zu müssen, wie Gaston von ihm zerfleischt wurde, ließ mich zittern. »Nirgendwo ist das Paradies vollkommen«, sagte ich traurig. »Es gibt kein Paradies mehr.«
    Wir kletterten von unserer Felsennase hinunter an den Strand und mischten uns unter die Zuschauer der Haijagd. Die Boote der Fischer hatten nun die Gewässer jenseits der Klippen erreicht und begannen, in einem großen Bogen den Hai einzukreisen, der noch immer ab und zu an die Oberfläche schoß und seine glänzende, schwarzgraue Rückenflosse zeigte. Dann ging ein Aufschrei durch die Menschenmasse. Einige zeigten auf die Flosse und schrien den Fischern zu, die ihre Boote wendeten und auf den Raubfisch zuruderten. Dabei warfen sie Grundnetze und Angeln aus, während drei Fischer mit Harpunen in der Hand am Bug der Boote standen und auf das nahe Wiederauftauchen der Rückenflosse warteten, um dann die scharfe Eisenspitze der Harpune dem Fisch in den Rücken zu stoßen.
    Der Hai schwamm auf die Klippen zu. Er spürte, daß man ihn jagte, er sah die Boote auf sich zukommen, er witterte die Netze, er roch die Gefahr, der er entgegenschwamm. Wie ein Pfeil durchschnitt er das Wasser und versuchte, zwischen den Klippen ein Versteck zu finden. Seine Rückenflosse tauchte zwischen den Spitzen der Felsen auf. Dann schwamm er wieder zum Meer hinaus, machte vor den Netzen, die ihm den Weg in die offene See abschnitten, kehrt und raste zurück zu den Felsen.
    Am Ufer war es jetzt still. Die Menschen standen eng aneinander am Strand und starrten gebannt auf dieses seltene Schauspiel. Sogar das Tanzorchester auf dem Plateau des Cafés ›Miramar‹ verstummte. Die Musiker in ihren weißen Dinnerjackets beugten sich über die Brüstung und starrten auf den gejagten Räuber der Meere.
    Der Hai schwamm jetzt zwischen den Klippen herum, so schnell, gewandt und elegant in seinen Bögen und Schleifen und ruckartigen Kehren, daß die Boote vergeblich um die Klippen ruderten und die Männer mit den Harpunen zähneknirschend zusehen mußten, wie der große Fisch ihnen immer wieder entkam.
    »Ein alter, gerissener Bursche«, sagte Gaston und lachte. »Es ist bestimmt nicht seine erste Jagd, die er erlebt. Er narrt sie alle. Und wenn sie müde geworden sind, wenn ihre Aufmerksamkeit nachläßt, entwischt er ihnen ins Meer hinaus.«
    Ein neuer Schrei hallte über den Strand und die Felsen. Eines der Boote war den Klippen zu nahe gekommen, es kenterte, und die beiden Fischer fielen ins Meer. Im selben Augenblick tauchte auch schon die spitze Rückenflosse des Haies auf und durchfurchte das blaue Meer in Richtung auf die beiden Schwimmenden.
    »Gaston!« schrie ich grell. »Der Hai greift sie an!«
    Ein vielfacher Entsetzensschrei gellte über das Wasser. Die anderen Fischer warfen ihre Harpunen auf die Flosse, aber sie verfehlten sie. Von einem Felsen ertönte plötzlich ein Schuß. Dort stand ein Amerikaner und zielte mit einer Pistole auf den rasenden Fisch. Einige Frauen wandten sich ab, sie mußten gestützt werden,

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