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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um nicht ohnmächtig umzusinken.
    War es das Schreien der Menschen, war es der Schuß des Amerikaners oder das Umsichschlagen der schwimmenden Fischer – der Hai drehte ab und raste zurück ins Meer, wo er gegen die Netze prallte und sofort zurückschoß auf die andere Seite der Badebucht.
    Die beiden Fischer hatten eine Klippe erreicht und zogen sich nun an ihr empor. Einer von ihnen blutete. Ich sah, wie er seine Hand betrachtete, dann das Hemd vom Körper riß und den nassen Stoff um den Arm wickelte.
    »Hat der Hai ihn gebissen?« fragte ich Gaston. Er schüttelte den Kopf und sah zu dem Fischer hinüber, der jetzt in ein Boot kletterte, das die Klippe erreicht hatte.
    »Es wird eine Verletzung sein, die er sich beim Heraufziehen an den Klippen geholt hat. Die Steine sind spitz. Aber es ist gut, daß er aus dem Wasser ist. Blutgeruch macht aus dem friedlichsten Hai eine nicht mehr aufzuhaltende Bestie.«
    Das Boot mit dem Verletzten ruderte dem Land zu, während die Jagd der anderen Fischer auf den Mörderfisch weiterging.
    »Komm«, sagte Gaston und zog mich mit sich fort. »Wir wollen den Fischer verbinden. Ich glaube nicht, daß einer von diesen gaffenden Menschen auch nur ein Auge für den Verletzten hat, solange die anderen den Hai jagen. Und dabei sind unter diesen Hunderten bestimmt zehn oder gar zwanzig Ärzte!«
    Wir drängten uns durch die Menschenmenge, die, wie Gaston vorausgesagt hatte, keinen Anteil mehr an das dem Lande zurudernde Boot nahm, sondern auf die Seite der Bucht starrte, auf der der Hai eingekreist war und es kein Entkommen mehr für ihn gab. Es war nur noch eine Frage von Minuten, und einer der Fischer konnte die gräßliche Beute aus dem Wasser ziehen. Als das Boot mit dem Verletzten anlegte, reichte Gaston dem Fischer die Hand und ließ ihn an das Ufer springen. Dort stellte er sich als Arzt vor und wickelte das durchblutete Hemd von der Hand des Fischers.
    Es war ein tiefer Riß vom Handballen bis zur Hälfte des Unterarms; durch das eingedrungene Salzwasser mußte es höllisch schmerzen. Ich sah es an dem verzerrten Gesicht des Mannes, der zitternd seinen Arm Gaston hinhielt.
    »Wir müssen die Wunde erst antiseptisch auswaschen und dann vernähen«, sagte er. Er wickelte das blutige Hemd wieder um die Wunde und winkte dem Fischer zu, uns zu folgen.
    Es war eine Eigenart Gastons, nie ohne seinen kleinen Instrumentenkoffer und einer gut gefüllten Reiseapotheke zu verreisen. »Ein Arzt ist immer im Dienst – auch im Urlaub«, hatte er mich belehrt, als ich mich wunderte, wie er sein Instrumentarium, das sogar für kleinere Operationen ausreichte, im Hotelzimmer auspackte. »Wie oft kommt man in die Lage, plötzlich helfen zu müssen. Ein Unfall, eine akute Erkrankung, ein Infarkt; und wenn man dann der einzige erreichbare Arzt ist, sollte man helfen können und nicht vor dem Kranken stehen und sagen: ›Es tut mir leid, aber ich habe absolut nichts bei mir.‹ Das ist eine armselige Rede, Gisèle, die ein Arzt nie sagen dürfte! Wir haben immer und überall bereit zu sein, getreu des Eides von Hippokrates, stets Helfer und Diener der Kranken zu sein.«
    Wie recht er wieder hatte, sah ich jetzt. Als wir den Fischer in unserem Hotelzimmer auf das Bett legten, hatte ich bereits die Instrumententasche ausgepackt und die in sterilen Plastikhüllen liegenden Scheren, Pinzetten, Verbände und Nadeln hervorgeholt. Während ich das Catgut einfädelte, wusch Gaston die Wunde aus, streute Penicillinpuder gegen Infektionen in den großen Riß und begann dann, die Muskelschichten und die Haut zu vernähen. Abschließend gab ich ihm noch eine Tetanusinjektion gegen den Starrkrampf und ein paar Tabletten zur Schmerzlinderung.
    Während der ganzen Arbeit hatte der Fischer kein Wort gesprochen. Jetzt, den Arm in einer Binde hängend, gab er uns die Hand. Was er dabei sagte, verstanden wir nicht, aber wir wußten, daß wir in diesen Minuten einen Freund gewonnen hatten, der für uns durchs Feuer ging, wenn es sein mußte.
    Als wir wieder mit unserem Patienten das Hotel verließen, lag der getötete Hai am Strand, ehrfürchtig bestaunt von den Badegästen. Ein Zoologe, der zufällig anwesend war, erklärte in englischer Sprache den Fisch und erzählte von seinen Eigenheiten. Es war tatsächlich ein Menschenhai, gut 1,80 m lang, mit einem spitzlaufenden Maul und einer Reihe messerscharfer, weißer Zähne. Die tödliche Harpune stak ihm noch im Rücken, gleich hinter der spitzen Rückenflosse. Noch im

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