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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erinnerte.
    Während auf den Gängen das Krankenhausleben erwachte und ein Krankenpfleger mit einem kurzen Gruß hereinkam und einige Fiebertabellen auf den Tisch legte, grübelte ich darüber nach und zermarterte mir den Kopf, wie ich Brigit aus Paris weglocken konnte.
    Mir fiel nichts ein. Ich war wie leergebrannt nach dieser wilden Nacht in Gastons Armen. Ich war wie Schlacke, die nicht mehr entflammbar ist, wie eine Schale, deren Kern verloren ging und die nun hohl in der Sonne liegt und verdorrt.
    Ich mußte Brigit weglocken. Das eine war sicher. Nicht mit Gewalt, nicht so, daß sie Argwohn schöpfte, sondern sie mußte von selbst gehen, getrieben von einer Notwendigkeit, die alle ihre geheimen Pläne zunichte machte.
    Häßliche Gedanken kamen mir: Ein Telegramm der Eltern, sofort zu kommen, weil der Vater erkrankt sei. Aber das wäre nicht logisch genug, denn bei Krankheit telegrafiert man bestimmt der Tochter, die Ärztin ist, und nicht einem Mädchen, das Innenarchitektur studierte. Oder ein Telefonanruf einer Kunsthandlung, irgendwo im Süden Frankreichs, mit ihrer Mappe von Zeichnungen zu kommen. Brigit hatte auch sehr schöne Aquarelle gemalt, außerdem wundervolle, zarte Federzeichnungen und Kostümentwürfe, die sich lohnten, ausgestellt zu werden. Ehe sie dann im Süden merkte, daß alles nur ein fingierter Anruf war, würden Gaston und ich aus Paris fort sein, irgendwo in der Einsamkeit. Gaston wollte Ferien machen. Bis zum Tage unserer Abreise mußte Brigit also aus Paris ferngehalten werden.
    Hinter meinem Rücken klappte eine Tür. Gastons Hand lag auf meiner Schulter. »Hier bist du?« sagte er erleichtert. »Als ich erwachte und du warst nicht mehr neben mir, dachte ich, du seist weggelaufen.«
    »Weggelaufen?«
    »Ja, in einem Anfall von Reue.«
    »Was sollte ich bereuen?« Ich drehte mich um und sah in seine strahlenden Augen. »Daß ich dich liebe, Gaston? Das werde ich nie bereuen!« Und plötzlich sagte ich: »Wann verreisen wir?«
    »Verreisen?«
    »Ja. Dein Urlaub.«
    »In 14 Tagen!«
    »Geht es nicht früher? Vielleicht schon nächste Woche?«
    Gaston hob die Schultern. »Ich will Bocchanini fragen. Vielleicht, Liebes. Ich werde gleich nach der Visite mit ihm sprechen.«
    Eine Woche Zeit! Eine Woche stiller, verbissener, blutigernster Kampf gegen Brigit, die eigene Schwester. Brigit, die nicht ahnte, daß ich die Geliebte Gastons war und die ihm nachlief wie die Katze dem Baldrian.
    Die Stationsschwester der chirurgischen Station I trat ins Zimmer. Ihr Gesicht war alt und zerfurcht und wurde von der großen weißen Haube umflattert.
    »Der Neueingang fiebert«, sagte sie.
    »Senlis?«
    »Er hatte eine unruhige Nacht. Jetzt verlangt er immer nach einem Fräulein Abonice. Babette Abonice.«
    »Ich gehe gleich zu ihm.« Gaston zog den weißen Visitenmantel über und knöpfte ihn sorgfältig zu. Dann nahm er das Membranstethoskop vom Tisch und stopfte es in die Tasche.
    »Kommen Sie mit, Dr. Parnasse?« fragte er mich.
    »Ja, Herr Oberarzt. Auf Station II ist heute nacht der Magenkarzinom gestorben.«
    »Kommen Sie.«
    Gaston ging uns voran aus dem Zimmer. Auf dem langen Gang trafen wir Prof. Dr. Bocchanini, der gerade mit seinem Wagen vorgefahren war. In der Hand hielt er die Morgenausgabe des ›Paris Journal‹.
    »Der Rennfahrer Senlis ist verunglückt?« sagte er, indem er vor uns stehen blieb. »Wissen Sie, wohin man ihn gebracht hat? Hier steht nur – in eine Klinik.«
    »Er liegt auf Zimmer 34, Herr Professor.«
    »Auf Zimmer …« Bocchanini stockte, dann überzog ein Lächeln sein altes Gesicht. »Sie sind ein Teufelskerl, Dr. Ralbais. Das wird für unsere Klinik eine fabelhafte Reklame sein!«
    Jeróme Senlis lag mit geschlossenen Augen im Bett. Sein Gesicht war eingefallen, wächsern, der Atem ging röchelnd. Gaston und Bocchanini, der sofort mitgekommen war, beugten sich über ihn und sahen kurz zu dem jungen Volontärarzt hinüber, der nach der Operation die Nachtwache übernommen hatte.
    »Blutatmen?« fragte Gaston. In seiner Stimme lag eine verhaltene Erregung. War die Resektion des Lungenflügels mißlungen? Hatte er etwas in der Pleurahöhle übersehen? Waren Blutreste zurückgeblieben, die jetzt eine Pleuritis erzeugten?
    Jeróme Senlis war nicht mehr bei Besinnung. Die Haut unter den Fingernägeln war weiß, blutleer. Um Nase und Mund zog sich ein heller Kreis. Ich hatte so etwas oft gesehen bei Menschen, die starben. Es sind die ersten Anzeichen, daß das Leben aus dem

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