Ich gestehe
zu. Ich sah im Rückfenster, wie er die Hand hob und zurückwinkte. Dann drehte sie die Scheibe wieder hoch und ließ sich nach hinten in die Polster fallen.
»Ein wunderbarer Mann«, sagte sie leise.
Es kostete mich Mühe, sie nicht schon im Wagen zu töten, zu erwürgen – dieses junge Aas!
Zu Hause, in der kleinen Wohnung, die muffig, ungelüftet roch und mit Staub überzogen war, gingen wir sofort ins Bett, jeder bemüht, mit dem anderen so wenig wie möglich zu sprechen. Als wir das Licht löschten, lag ich noch lange wach und nahm etwas Brom, weil ich schlafen wollte, um die nötige Kraft zu haben für die grausige Tat des nächsten Tages.
Brigits Gewissen war rein … sie schlief, kaum, daß sie lag. Ihre hellen, schnellen Atemzüge standen in dem dunklen Zimmer. Wie die Atemzüge eines Kindes, dachte ich.
Das alles würde nun bald vorbei sein: ein Glück in der Ehe mit Gaston. Ein Kind, das uns ganz allein gehörte. Eine eigene Insel im rauhen Leben, auf die wir uns immer zurückziehen konnten und auf der wir zwei Menschen waren, so einfach und vollkommen nur zwei Menschen wie zu Beginn der Schöpfung. Und das alles war zerstört durch Mißtrauen, Eifersucht, Tändeleien eines jungen Dinges … eigentlich durch Dinge, die Lappalien waren, die man abstellen konnte, die nicht übersteigbar waren wie ein in Nebelwänden verschwindendes Gebirge. Dinge, die sich lösen ließen, die vielleicht Irrtümer waren.
Ich drehte mich auf die andere Seite und zwang mich, nicht mehr daran zu denken. Ich wollte überhaupt nicht mehr denken! Ich wollte keine Vernunft mehr! Ich wollte nur noch Kraft für den Tod. Mut für den Mord.
Und so schlief ich ein.
Wenn es heißt, man soll seine Handlungen erst überschlafen, denn am Morgen sähe alles anders aus, dann traf das bei mir nicht zu. Im Gegenteil – der Morgen, der mich vielleicht versöhnlicher gestimmt hätte, wurde eine neue Ernüchterung.
Als ich die Augen öffnete, sah ich Brigit völlig nackt vor dem Spiegel stehen und sich betrachten. Sie drehte sich, hob die Arme über den Kopf, daß ihre Brust sich noch mehr straffte, hob sich auf die Zehen und dehnte ihre schönen Schenkel. Dann strich sie mit den Händen ihren Leib hinab und liebkoste ihn mit einem unwirklich glücklichen Lächeln.
Sie denkt an Gaston, durchfuhr es mich. Sie träumt von dem Augenblick, in dem er sie so sehen wird, wo es seine Hand ist, die sie streichelt, wo es seine Lippen sind, die ihre Brüste liebkosen und sich heiß über ihren Körper tasten.
Ich sprang aus dem Bett und warf Brigit mit einem Schwung meinen Morgenmantel um die Schulter. »Steh nicht so herum und bewundere dich wie eine lesbische Schwester!« schrie ich unbeherrscht. »Ich denke, du wolltest deine Sachen packen?«
»Nachher.« Sie warf den Mantel zu Boden und ging nackt in die Küche. Ich hörte, wie sie den kleinen Elektroherd anstellte und das Kaffeewasser aufsetzte. Nackt kam sie zurück und lief so – vielleicht nur, um mich zu ärgern – die ganze Zeit in der Wohnung herum, bis wir am Kaffeetisch saßen und sie sich endlich in ihren Bademantel hüllte.
»Was gedenkst du eigentlich jetzt zu tun?« fragte ich sie und schaute sie an, während ich die Tasse leertrank. »Willst du nach Caissargues ziehen?«
»Sicherlich nicht! Vielleicht bleibe ich in Paris. Aber von dir will ich weg! Ich habe es satt, mich bevormunden zu lassen. Ich bin kein Kind mehr, das mein einsperrt. Wie Dr. Gisèle Parnasse habe auch ich ein Recht, einen Geliebten zu haben!«
»Du solltest dich schämen, Brigit! Wenn ich das Vater sage!«
»Ich bin eine Künstlerin – ich habe besondere Freiheiten. Aber das versteht ihr ja doch nicht! Am allerwenigsten du, du … du …« Sie suchte nach Worten und sagte dann laut: »Du Schlange! Du hast mir Gaston weggenommen!«
Ich mußte lachen, aber es war ein häßliches Lachen, das nach Drohung klang. »Weggenommen? Er hat dir nie gehört! Du hast ihn nur ein paarmal von weitem gesehen!«
»Aber ich liebte ihn sofort!«
»Platonisch! Ein Jungmädchenschwarm! Mehr ist es nicht, Brigit! Was sollte Gaston mit einem so dummen Ding wie dir anfangen?«
Das hätte ich nicht sagen dürfen! Nie! Denn Brigit hatte eine Charaktereigenschaft, die allen Parnasses anhaftet: Wenn man ihnen sagte, dies oder jenes könnten sie nicht, dann setzten sie Himmel und Hölle in Bewegung, es doch zu können! Sie lieferten den Beweis!
Brigit sah mich an, mit jenem Blick, den ich an mir selbst kenne, wenn ich in
Weitere Kostenlose Bücher