Ich glaub, ich lieb euch alle
Ich will mich nicht in einer Art Traum bewegen. Ich will endlich einschlafen! Ich will mich wohl fühlen. Ich will einen neuen Spitznamen. Ich will stärker sein, aber ich will nicht, dass mir dauernd was wehtut. Ich will die Leute schockieren. Ich will, dass die Leute genauso viel über mich nachdenken wie ich über sie, und ich mache mir Sorgen, dass ich mich immer so fühlen werde: wie an meinem ersten Tag im Kindergarten.
Aufgepasst, Mannschaft!
Nicht nur, dass ich an Schlafproblemen leide, jetzt hat auch noch das Football-Team schon das dritte Spiel in Folge verloren, weshalb wir als Strafe Vierzehnhundert-Yard-Sprints absolvieren müssen. Ein schmerzvoller Langstreckensprint für jeden Punkt, um den uns das andere Team geschlagen hat. Wobei der Ausdruck » uns« mich doch etwas verwirrt. Denn dieses » uns« bedeutet ausschließlich » mich«, wenn es um das Scheißlaufen geht, aber der » ich«-Teil von dem » wir« weiß ganz genau, dass » ich« bei dem Spiel noch nicht einmal mitgespielt hab. » Ich« hab noch nicht einmal dabei zugesehen! » Ich« war auf der Tribüne und hab mit Freunden geredet, rumgealbert, die Cheerleader beobachtet und Hot Dogs gegessen. Offensichtlich habe » ich« nicht mitgekriegt, dass wir um vierzehn Punkte geschlagen wurden, und deshalb müssen wir jetzt diese Sprints laufen. Und wenn einer dabei erwischt wird, wie er » kneift« oder » bummelt«, dann müssen wir wieder von vorn anfangen. Und das haben wir bereits, und zwar zwei Mal! Diese Jungs sollten wie ich am Theaterunterricht teilnehmen, damit sie lernen, wenigstens so zu tun, als würden sie ihr Bestes geben. Bei mir sieht es immer schon nach einem Lauf so aus, als wäre ich am Ende meiner Kräfte. Und nach dem zweiten Rennen lege ich eine oscarverdächtige Vorstellung hin in dem Film » Am Abgrund des Todes beim Footballtraining«. Schnaubend und stöhnend, jammernd und jaulend, beuge ich mich nach vorn, verdrehe die Augen und fletsche die Zähne wie ein tollwütiger Hund. Niemand kann mir vorwerfen, dass ich kneife.
Ich schauspielere bis zum Gehtnichtmehr. Aber nach zwanzig Hundert-Yard-Sprints bin ich geschlagen, ob ich jetzt kneife oder nicht. Da muss ich nicht mehr viel schauspielern.
Ich war schockiert, als ich hörte, dass Allan, der Kicker, während des Spiels zwei Field Goals und einen Extrapunkt verpatzt hat. Der Typ verpatzt sonst nie irgendwas, NIEMALS! Er trifft aus einer Entfernung von fast fünfzig Yards, aber aus irgendeinem Grund hat er jeden Kick verpatzt oder verhauen. Deshalb brüllt der Coach nach dem zwanzigsten Sprint: » In Ordnung, Männer! Nachdem wir nun an eurer Kondition gearbeitet haben, nehmen wir uns jetzt dem Schießproblem an!«
Ich weiß, dass das für Allan kein Vergnügen werden wird. Alle sind total erledigt, als wir uns zum Torpfosten begeben, um ihm beim Kicken zuzusehen. Die Spezialeinheit stellt sich langsam in einer Reihe auf. Der Holder geht in Position. Allan markiert seine Schritte. Nick Brock geht in die Hocke und bereitet sich auf seinen Wurf vor. So schwer, wie die Jungs atmen, möchte man meinen, dass sie ein Field Goal vom Gipfel des Mount Everest versuchen wollen.
Der Coach brüllt: » Ooh, ooh, Allan, denkst du, dass du nach dem Spiel am Freitag immer noch mein Kicker bist? Wie viele Kicks, denkst du, kannst du noch verhauen, bevor ich dich rauswerfe, mein Sohn? Carter, mach du.«
Alle halten die Luft an und schauen zu mir. Aber warum nur? Oh mein Gott, hat er wirklich gerade gesagt, was ich denke, dass er gesagt hat?
» CARTER, du bringst mich noch um! Mach schon«, schnauzt der Coach mich an.
Oh mein Gott, mein Herz ist in meiner… Ich weiß nicht einmal, wo das verdammte Ding hin ist, jedenfalls schlägt es viel zu wild. Ich schlurfe raus, total verwirrt, aber absolut konzentriert. Konzentriert darauf, nicht in Ohnmacht zu fallen. Alle schnauben und stöhnen und beobachten mich. Allan schaut mich an, als hätte ich seinen Hund auf dem Gewissen.
» Wenn Allan es nicht auf die Reihe kriegt, schafft Carter es vielleicht«, brüllt der Coach. » Der Junge hat beim Freshmen-Spiel ein Field Goal und einen Extrapunkt geschafft, darum ist er jetzt euer neuer Kicker.«
Ich sollte ihn besser nicht darauf hinweisen, dass ich in Wahrheit ein Field Goal verpatzt habe und dass die Blaskapelle einen Posaunisten verloren hat, aber ich bin zum Sprechen viel zu nervös. » Will Carter, Kicker der Schulmannschaft!« Das klingt wirklich gut in meinen Ohren. Andre ist der
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