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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Freunden in Südtirol. Ich buche für die Rückreise einen Last-Minute-Platz im Autozug von München nach Hamburg, weil ich mich nicht imstande fühle, die ganze lange Strecke alleine hinter dem Steuer zu sitzen. Während wir in München in der Warteschlange vor der Verladerampe stehen und warten, checke ich mit dem iPhone meine E-Mails, eine davon von Sarah. Ich sehe ihren Namen in der Absenderzeile und denke: Ach ja, das Leben geht weiter. Es gibt auch noch etwas, worauf wir uns zu Hause freuen können. Plötzlich kommt mir die Tatsache, dass wir ein Haus bauen, dass wir Zukunftspläne haben, besonders kostbar vor.
    Ich lese gierig die Mail, die sicher irgendetwas zu tun hat mit unserer Zukunft. Sarah kommt schnörkellos zum Punkt. Leider, schreibt sie, sei das Bodengutachten deutlich ungünstiger ausgefallen als erwartet: »Könnt Ihr Euch vorstellen, den Keller wegzulassen?«

    Baunebenkosten inkl. MwSt.:
    Übertrag 34.153,15 €
    Auszug Sielkatasterplan 17,40 €
    Herstellung Bauwasseranschluss 662,28 €
    Herstellung Baustromanschluss 1.146,00 €
    Zwischensumme 35.978,83 €

Sandige Schluffe, schluffige Sande
    Im November 2004, Angela Merkel war seit mehreren Jahren Bundesvorsitzende der CDU , jedoch noch nicht Bundeskanzlerin, wurde sie von der Bild gefragt, was ihr als Erstes in den Sinn komme, wenn sie an Deutschland denke. Sie antwortete: »Ich denke an dichte Fenster.«
    Für diese Antwort erntete sie in bestimmten gesellschaftspolitischen Kreisen Hohn und Spott.
    Ich erinnere mich, dass ich damals trotz aller politischen Differenzen ein großes persönliches Verständnis für Frau Merkel hegte. Ich denke auch zuerst an dichte Fenster, wenn ich an Deutschland denke. Immer wenn ich in Ländern wie Spanien oder England Urlaub mache, in Ländern also, wo die Fenstergriffe klapprig und die Fensterrahmen schmal sind, fällt mir – begleitet von einem unleugbar patriotisch gefärbten Anflug von Stolz – auf, wie unsolide diese Fenster im Vergleich zu denen in meiner Heimat wirken. Genauso unsolide wie Häuser mit klapperigen Fenstern fand ich bisher Häuser ohne Keller.
    Mal ganz abgesehen davon, dass ich stauraumsüchtig bin und deshalb die Vorstellung eines Lebens ohne Keller aus ganz praktischen Erwägungen unvorstellbar fand: Ein Haus ohne Keller kam mir vor wie ein Mensch ohne Geheimnisse. Ich dachte: Ein Haus ohne Keller ist nicht mehr, als man auf den ersten Blick sieht, es ist mehr Schein als Sein. Ein Haus ohne Keller hat keinen Tiefgang, keine Verbundenheit, keine Beziehung zu der Erde, auf der es steht. Irgendwer hat mir erzählt, in den USA hätten die meisten Häuser keinen Keller. Kein Wunder, dass die sofort durch die Gegend fliegen, wenn es mal etwas stärker weht. Ein Haus ohne Keller wirkte auf mich sehr amerikanisch, irgendwie oberflächlich. Kein ordentliches Haus, kein anständiges Zuhause.
    Mein Mann und ich studieren gemeinsam den Bericht des Bodengutachters.
    »Der Typ ist ein Poet«, sagt mein Mann. »Hier, so schön kann man Hiobsbotschaften formulieren: ›Unterhalb der Auffüllungen folgen überwiegend stark schluffige Sande und feinsandige Schluffe.‹«
    Die Architektinnen haben uns erklärt: Der Grundwasserspiegel ist noch höher als angenommen – weshalb während des Kellerbaus die Baugrube besonders gesichert und das Grundwasser rund um die Uhr abgepumpt werden müsste. Das größte Problem aber: Das Erdreich auf unserem Grundstück weist unterschiedlich weiche, instabile Schichten auf. Der Bodengutachter rät deshalb dringend davon ab, das Haus wie geplant auf einer Fläche von fünfzig Quadratmetern teilweise zu unterkellern. Das könnte irgendwann zu Rissen führen, weil der nicht unterkellerte Hausteil anderen Kräften ausgesetzt wäre als der unterkellerte. Wenn wir unbedingt einen Keller wollen, dann unter dem gesamten Haus.
    Das Haus hat eine Grundfläche von rund hundert Quadratmetern. Einen Hundert-Quadratmeter-Keller braucht noch nicht mal eine Stauraumsüchtige wie ich – erst recht nicht, wenn der Bau eines hundert Quadratmeter großen, wasserdichten Kellers inklusive Abpumpen und Bodenaustausch grob geschätzte achtundachtzigtausend Euro teurer würde als der ursprünglich geplante Keller. Mal ganz abgesehen davon, dass wir das Geld nicht haben.
    »Scheiße«, sage ich.
    »Scheiße«, sagt mein Mann. »Vater tot, Keller tot. Mir ging’s auch schon mal besser.«
    Hätten wir das Haus gekauft, wenn wir gewusst hätten, dass es sich um einen mit schluffigen

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