Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
einer großen Thermoskanne Tee bewaffnet im Haus ein, meißelt Kabelschächte und Steckdosenlöcher in die Wände, legt Kabel in die Schächte und steckt Steckdosengehäuse in die Löcher.
Dann kommen auch der Dachdecker und die Sanitärinstallateure wieder. Auf die bereits verlegte erste Dichtungsfolie wird von den Dachdeckern eine Dämmung aus großen Styroporquadern gelegt, darauf kommt wiederum eine weiße, wasserdichte Kunststofffolie – sogenannte Elastomerbahnen, die miteinander verschweißt werden. Die Installateure verlegen unter Herrn Tiedemanns Aufsicht weiter ihre Rohre, und zwar immer wieder falsch, wie Katja erzählt. Aber, sagt sie, wir sollten uns deshalb bitte keine Sorgen machen: »Dass die andauernd Mist bauen, ist wirklich nicht euer Problem, sondern nur unseres. Sarah und ich müssen wahnsinnig viel Zeit und Mühe auf die Kontrolle der Sanitärinstallation verwenden – und noch mehr darauf, dass die Mängel dann auch tatsächlich und zeitnah behoben werden. Na ja, ich hatte es schon geahnt: Herr Tiedemann ist ein echter Fehlgriff.«
Sie hat leider recht, Herr Tiedemann ist offensichtlich ein totaler Fehlgriff. Seit dem Richtfest habe ich ihn ein paar Mal gesehen und gesprochen. Er war stets außerordentlich freundlich. Sehr freundlich gab er mir seine breite, lasche Hand. Mit einem sehr freundlichen Gesichtsausdruck über den hängenden Schultern hörte er zu, wenn ich mit ihm sprach. Sehr freundlich und bedächtig nickte er, wenn ich ihn bat, mir per E-Mail eine Auskunft zu schicken. Mit freundlicher Stimme unter dem gutmütigen Bart versprach er, dass es mit der Heizung ab morgen schneller vorangehen würde als bisher. Freundlich lächelnd verabschiedete er sich dann von mir – um die Auskunft nicht zu schicken oder seine Männer für den Rest der Woche von der Baustelle abzuziehen. Im Zeitplan liegen er und seine Männer, anders als der Elektriker, weit zurück.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich kapiert habe, dass die fast unterwürfige Freundlichkeit dieses großen, sanft und gemächlich wirkenden Mannes die Konsistenz eines Neoprenanzugs besitzt: Er trägt sie, um daran alles abperlen zu lassen, was sein Bedürfnis, in Ruhe gelassen zu werden, stören könnte – jede Bitte, jede Kritik, jede Forderung, jede Beanstandung.
»Kannst du nicht Herrn Nadler anrufen und sagen, dass wir einen anderen Meister wollen?«, frage ich.
»Habe ich schon versucht«, sagt Katja, »aber das geht nicht. Die haben alle zu viel zu tun. Und euer Vertrag mit Nadler umfasst nun mal nicht das Recht zu bestimmen, welches Personal den Auftrag erledigt.«
»Schade«, sage ich. »Ist dir übrigens aufgefallen, dass Herr Tiedemann aussieht wie eine Deutsche Dogge, genauso groß und trantütig?«
»Stimmt!«, kichert Katja. »Jetzt, wo du’s sagst.«
Anfang Februar behauptet die Dogge plötzlich, er könne an unserem Haus nicht mehr weiterarbeiten, weil er es nicht länger verantworten könne, das dazu nötige Material und Werkzeug dort über Nacht liegen zu lassen. Das Haus hat noch immer keine Fenster und Türen, denn die Fenster und Türen waren – wie erwartet – Ende Januar leider doch nicht fertig. Jeder, der möchte, kann hineinspazieren. Katja sagt, die Dogge fürchte Vandalismus und Diebstahl. Kupfer ist teuer, Kupferrohre sind begehrt bei Altmetallsammlern und -dieben. Und wenn Baumaterialien oder Gerätschaften von der Baustelle verschwinden, so geht der Schaden zulasten des Handwerksbetriebes.
»Seltsam«, sage ich zu Sarah, mit der ich mich zum Mittags tisch in der Oberhafenkantine getroffen habe. »Die arbeiten doch schon seit Wochen in dem Haus, ohne dass sie sich je darüber beschwert hätten, dass etwas geklaut werden könnte. Warum fällt der Dogge ausgerechnet jetzt ein, dass er Angst um sein Zeug hat?«
»Wahrscheinlich wird er gerade dringend auf einer ande ren Baustelle gebraucht«, sagt Sarah achselzuckend und kaut seelenruhig auf ihrer hausgemachten Frikadelle herum. »Da muss er sich halt was einfallen lassen, um bei uns nicht weiterarbeiten zu müssen. So was kommt öfter vor, auch bei anderen Betrieben. Das bekommen wir schon in den Griff. Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn die Fenster endlich mal kommen würden, aber Herr Schön, der Fensterbauer, hat gesagt, dafür muss es noch deutlich wärmer werden als ein paar Grad über null, sonst bindet die Abdichtungsmasse nicht ordentlich.«
»Tja«, sage ich, »für das Wetter kann keiner was. Trotzdem mal eine Frage:
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