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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Die mussten Gummistiefel anziehen und das Wasser aus dem Haus pumpen.«
    Drei Wochen später: »Paulas Haus ist ganz schwarz von innen. Weil Paulas Architektin, die hat einfach die Fenster eingebaut und die Fußbodenheizung angestellt, obwohl das Haus noch gar nicht richtig trocken war, und jetzt wächst da überall Schimmel.«
    »Um Gottes willen!«, sagte ich. Ich bin Protestantin und nur ein bisschen gläubig, trotzdem hätte ich mich fast bekreuzigt. »Das ist ja furchtbar! Die Armen!«
    Ein paar Tage später: »Das dauert jetzt doch noch ganz lange, bis Paula einziehen kann. In Paulas Haus muss der ganze Putz und der ganze Fußboden rausgerissen und wieder neu gemacht werden, auch die Fußbodenheizung, weil wenn sie das nicht machen, dann kann es sein, dass da noch irgendwo Schimmel bleibt. Und dann muss so ein Mann kommen, der sich mit Schimmel auskennt, und alles sauber machen.«
    Meine Tochter schaute betrübt: »Paula sagt, ihre Eltern sind richtig fertig!«
    Zwei Monate später: »Paulas Eltern geht es wieder ganz gut. Der Schimmel ist weg, und die Wände und der Fußboden sind jetzt ganz neu, jetzt können sie endlich weitermachen.«
    Wieder eine Woche später: »Gestern hat der Elektriker in den Fußboden gebohrt und hat die Fußbodenheizung getroffen, da ist jetzt ein Loch drin, und das müssen die jetzt suchen mit so einer Kamera, die kann sehen, wo das warme Wasser ausläuft.«
    Ich wurde blass, meine Tochter fuhr fort: »Und dann müssen sich Paulas Eltern auch noch darüber streiten, wer das mit dem Schimmel und den neuen Wänden und dem neuen Boden bezahlen muss. Die Architektin sagt, der Dachdecker ist schuld, weil er das Dach nicht abgedeckt hat, und der Dachdecker sagt, die Architektin ist schuld, dass es geschimmelt hat, weil sie die Heizung aufgedreht hat. Mama, kann so was alles bei uns auch passieren, und dann weinst du auch ganz oft?«
    »Ich hoffe nicht«, sagte ich und hörte mich flüstern: »Herr, steh uns bei!«
    Wenn es ausnahmsweise einmal keine großen oder kleinen Katastrophen gibt, über die Paula und meine Tochter einander berichten können, dann tauschen sie sich über die gestalterischen Details ihrer zukünftigen Eigenheime aus. Ich weiß, dass Paulas Haus ein Giebeldach und einen Keller und überall Holzfußboden hat, dass Paulas Mutter lauter bunte Wände möchte, dass das Haus ein bisschen weniger Wohnfläche haben wird als unseres, dafür aber der Garten viel größer ist. Heute scheint es um die Kinderzimmer gegangen zu sein, und meine Tochter ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass sie in dieser Kategorie zu schlecht abschneidet.
    »Paula bekommt das größte Zimmer im ganzen Haus, und wir bekommen nur ganz winzige Zimmer«, mault meine Tochter.
    »Sag mal, geht’s noch?«, frage ich. »Eure Zimmer sind überhaupt nicht winzig. Die sind siebzehn Quadratmeter groß, das ist weder sehr groß noch sehr klein, sondern ganz normal. Vergiss nicht, wir sind keine Millionäre.«
    Die ganz korrekte Größenangabe lautet: 16,97 Quadratmeter. So steht es jedenfalls bei beiden Zimmern im Grundriss. Ob beide Kinderzimmer tatsächlich exakt 16,97 Quadratmeter groß sind, wissen wir nicht. Gleich zu Beginn der Bauplanungen haben wir die Architektinnen beschworen, unter gar keinen Umständen etwas anderes als zwei exakt gleiche Größenangaben in den Grundriss einzutragen. Die zukünftigen Bewohner dieser Zimmer sind so erbitterte Konkurrenten, wie es nur relativ schnell nacheinander geborene Geschwister sein können: Sollte den Kindern ein Grundriss in die Hände fallen, in dem steht, dass das eine Zimmer 0,2 Quadratmeter kleiner oder größer ist als das andere, so würde eines von beiden »Das ist total unge recht!« brüllen und damit einen grausamen, endlosen Zim merverteilungskampf entfesseln. Für so etwas haben wir keine Nerven.
    »Aber unsere Zimmer sind kleiner als euer Schlafzimmer, das stimmt ja wohl«, mault meine Tochter.
    Ich merke, wie meine Halsschlagader sich verengt, mein Puls sich erhöht und mein Solarplexus zu kribbeln beginnt. Ich denke: Immer wieder erstaunlich, wie durch und durch unsympathisch man sein eigen Fleisch und Blut gelegentlich finden kann.
    »In unserem Schlafzimmer schlafen Papa und ich ja auch zu zweit. Und jetzt hol bitte deine Frühstücksdose aus dem Ranzen«, antworte ich in dem übertrieben freundlichen Tonfall, mit dem Eltern signalisieren: Kind, noch schaffe ich es dank meiner ausgeprägten elterlichen Charakterstärke, gesittet zu dir zu

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