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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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anschaffen?
    Tatsächlich waren unsere Kinder begeistert, als wir ihnen unseren Hauskaufplan mitteilten. Noch begeisterter waren sie, als aus dem Plan Wirklichkeit wurde. Wir waren es auch: Zum Preis von nur einem Haus konnten wir uns zwei Mal freuen – auf das neue Haus und über die Begeisterung der Kinder. Ein prima Geschäft, das wir fortan so oft wie irgend möglich zu wiederholen trachteten. Wann immer es eine gute Neuigkeit zum Hausprojekt zu berichten gab, wir investierten sie umgehend in die Kinder, unsere Vorfreudevervielfachungsautomaten.
    Ich: »Wisst ihr was? Wir reißen das alte Haus ab und bauen ein ganz neues, viel schöneres.«
    Die Kinder: Hurra!
    Oder: »Das neue Haus wird einen Kamin haben. Stellt euch mal vor: Dann sitzen wir abends zusammen und spielen etwas, und im Kamin brennt ein gemütliches Feuer!«
    Die Kinder: Das wird schön!
    Oder: »Tut mir leid, Schatz, Joghurt ist schon wieder alle. Aber wenn wir erst im neuen Haus sind, dann haben wir einen richtig großen Kühlschrank, in den passen bestimmt zwanzig Joghurtbecher auf einmal rein.
    Die Kinder: Au ja!
    Zunächst hatten wir die Begeisterung unserer Kinder gefüttert, um unsere eigene gute Laune zu verstärken. Später allerdings, als der Hausbau allmählich all unsere Energie zu fressen begann, gingen wir dazu über, ihnen Begeisterungsanlässe als Gegenmittel gegen – durch elterliche Vernachlässigung hervorgerufene – schlechte Laune zu verabreichen.
    Die Kinder: »Können wir Samstag was zusammen machen?«
    Ich: »Samstag geht echt nicht, leider. Papa und ich müssen ganz dringend noch mal nach Badewannen gucken.«
    Die Kinder, enttäuscht: »Och Mann, schon wieder?«
    Ich: »Ja, ich weiß, das nervt, aber dafür wird das Badezimmer bestimmt auch ganz, ganz schön. Habe ich euch eigentlich schon erzählt, dass wir eine offene Dusche bekommen mit so einem ganz großen Duschkopf?«
    Die Kinder, nur mäßig begeistert, aber immerhin befriedet: »Und was sollen wir solange machen?«
    Ich: »Kommt doch mit!«
    Die Kinder: entsetzt.
    Ich: »Hinterher gehen wir auch zu McDonald’s, wenn ihr wollt.«
    Die Kinder: »Na gut.«
    Dass wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit von unserem zukünftigen Leben im neuen Haus schwärmten, dass wir aus dem Einzug ins Eigenheim so etwas wie den Einzug ins Gelobte Land machten, dass wir die Erwartungen der Kinder allmählich ins Unermessliche schraubten, das ist sicher der erste große Fehler, den wir als Eltern gemacht haben. Der zweite, vielleicht noch größere Fehler: Wir haben so getan, als dürften sie mitreden bei diesem Thema.
    Obwohl wir wissen, dass man Kinder nur mitreden lassen sollte bei Angelegenheiten, die zu überschauen und entscheiden sie alt und reif genug sind, haben wir alle Vernunft fahren lassen und zu den Kindern gesagt: »Und dann setzt euch doch mal hin und denkt darüber nach, wie eure Zimmer und das Kinderbad aussehen sollen.«
    Ein paar Tage später präsentierten sie die Ergebnisse ihres Nachdenkens. Unsere Tochter teilte uns mit, dass sie eine rote, eine lila und eine gelbe Wand haben wolle, außerdem einen weiß lackierten Holzfußboden und eine niedrige, breite Fensterbank, auf die sie ihre vielen bunten Kissen legen und es sich zum Lesen gemütlich machen könne. Die Idee mit der Fensterbank fanden wir gut.
    »Süße«, sagte ich so sanft wie möglich, »glaubst du nicht, dass das zu bunt wird? Drei verschiedenfarbige Wände, und dann auch noch in Lila, Rot und Gelb?«
    »Nö«, sagte unsere Tochter.
    »Und der Holzfußboden, den wir bekommen«, sagte mein Mann, »der sieht ganz toll aus, auch ohne weißen Lack.«
    »Aber ihr habt gesagt, ich darf mir aussuchen, wie mein Zimmer aussieht!«, jaulte unsere Tochter.
    »Das stimmt«, sagte ich und dachte: leider.
    »Kann ich auch mal was sagen?«, fragte unser Sohn. »Ich will gar keinen Holzfußboden. Ich will hellgraues Linoleum und dunkelgraue Wände. Und eine Wand im Zimmer.«
    Er befand sich eindeutig auf der Schwelle zur Pubertät. Ich schluckte.
    »Was für eine Wand?«, fragte mein Mann.
    »Na, eine Wand eben. So mitten im Zimmer«, sagte unser Sohn.
    »Eine Wand mitten im Zimmer?«, fragte ich. »Wozu soll die denn gut sein?«
    »Na ja«, sagte unser Sohn, »ich will halt was Ausgefallenes, und eine Wand mitten im Zimmer ist doch etwas Ausgefallenes, oder?«
    »In der Tat, das ist eine sehr ausgefallene Idee«, sagte ich. »Aber glaub mir, da fällt uns bestimmt noch was anderes ein. Wir fragen mal Sarah. Habt

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