Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
Wasserwerke die benötigten Unterlagen schicken würden, das könne er leider nicht sagen, das zu beeinflussen stehe nicht in seiner Macht. Ich denke: In deiner Macht hätte es aber gestanden, die Wasserwerke ein paar Wochen früher zu kontaktieren, um die nötigen Unterlagen zu besorgen, du Idiot. Schließlich weißt du doch nicht erst seit vorgestern, dass unser Haus einen Wasseranschluss braucht.
Ich gehe zur Nachbarin und beichte, dass erstens ihr Wasser vorerst weiter benötigt wird und dass wir zweitens für vierzehn Tage in die Sonne fliegen und nur sehr schlecht erreichbar sein werden. Ich gebe der Nachbarin die Nummer von Katja, damit sie jemanden hat, den sie anrufen und anschnauzen kann, falls ihr eines Morgens auffällt, dass es eine Zumutung ist, dass das Vorankommen unseres Neubaus an ihrem Außenwasserhahn hängt. Dann gehe ich nach Hause, packe Bikini, Taucherbrille und Schnorchel in einen Koffer, um mich am nächsten Tag mit meinem Mann und den Kindern in ein Taxi zu setzen, das uns zum Flughafen bringt.
Siebenundzwanzig Stunden später kommen wir an unserem Ziel an, in einem kleinen Hotel am anderen Ende der Welt. Zwischen dem Hotelpool und dem Außenwasserhahn der Nachbarn liegen über zehntausend Kilometer: Genau diesen Abstand habe ich gebraucht. Ich lege mich auf eine Sonnenliege, bestelle einen Mangoshake und vergesse für die nächsten zwei Wochen alle Handwerker dieser Welt.
Als wir aus dem Urlaub zurückkehren, sind wir rundum erholt, der Innenputz ist fast fertig – und der Hausanschluss erst seit drei Tagen installiert, wie die Nachbarin erzählt. Ich lasse mir von Herrn Kobiashvili schriftlich geben, wie viel Wasser seine Männer ungefähr verbraucht haben, rechne aus, wie viel Geld die Nachbarn von uns bekommen, verdoppele die Summe, runde sie auf und drücke der Nachbarin zwanzig Euro in die Hand.
Als Nächstes, sagt Katja, sind der Außenputz und der Fußbodenaufbau dran: Auf den Betonboden kommt die Dämmung, auf der Dämmung wird – in allen Räumen außer den Schlafzimmern – die Fußbodenheizung verlegt, auf die Fußbodenheizung wird der Estrich gegossen. Wenn der Fußbodenaufbau fertig ist, wird die Heizungsanlage installiert, die Heizung wird hochgefahren und das Haus getrocknet.
Und dann, denke ich, müssen doch eigentlich nur noch die Bodenbeläge verlegt, die Wände gestrichen, die Türen und die Küche und die anderen Einbaumöbel eingebaut, die Steckdosen und Lichtschalter und Einbauleuchten montiert und die Bäder fertig gestellt werden. Dann ist das Haus so weit fertig, dass man darin wohnen kann.
»Meinst du nicht, wir können allmählich mal unsere Wohnung kündigen?«, frage ich Katja.
»Aber klar«, sagt Katja. »Habt ihr das etwa noch nicht gemacht? Spätestens Ende Mai könnt ihr einziehen.«
Es ist Ende März. Unsere Kündigungsfrist beträgt die üblichen drei Monate. Vor dem 30. Juni werden wir die Wohnung nicht los.
»Ach«, sagt mein Mann, » wer weiß, vielleicht ist es ja doch ganz gut, wenn wir zeitlich ein bisschen Luft haben.«
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 55.701,09 €
Wasserverbrauch Innenputz 20,00 €
Zwischensumme 55.721,09 €
Baueltern und Baukinder
Meine Tochter kommt nach der Schule nach Hause. Meine Tochter hat schlechte Laune, das sehe ich sofort. Meine Tochter schleudert den Schulranzen in den Flur und sagt: »Paulas Zimmer wird viel schöner als meines.«
Paula geht in die gleiche Schule wie meine Tochter, Paula ist in der sechsten, unsere Tochter in der fünften Klasse. Sie sind Freundinnen. Paulas Eltern bauen auch. Sie haben ein kleines Haus aus den Zwanzigern gekauft, das sie seit Monaten sanieren und um einen Anbau erweitern. Andere Fünft- und Sechstklässlerinnen unterhalten sich mit Gleichaltrigen über Germany’s Next Topmodel , über Pferde oder Jungs; Paula und meine Tochter, die Bauherrenkinder, verbringen die Pausen damit, Baufachgespräche zu führen. Meine Tochter ist immer auf dem Laufenden darüber, wie es um Paulas Haus steht. Ich nehme an, das gilt auch umgekehrt. Letzten Herbst hatte sie besonders viel zu erzählen: »Paula hat’s gut. Bei Paula sind jetzt schon die Wände verputzt, und der Fußboden ist fertig, in drei Monaten zieht sie ein.«
Eine Woche später: »Stell dir mal vor, Paulas Haus ist ganz vollgeregnet. Es hat doch so doll geregnet, und der doofe Dachdecker hat vergessen, das Dach mit Plastikplanen abzudecken. Das Wasser im Wohnzimmer reichte Paulas Eltern bis zu den Knöcheln.
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