Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
Vom Netzwerk:
musste das Gerüst wieder aufgebaut und der ganze Außenputz noch einmal abgeschlagen und neu gemacht werden, weil er beim ersten Mal nicht ordentlich geworden war. Sie verstehen mich, Herr Meyer?«
    Herr Meyer lacht nicht mehr.
    Am Montagmorgen bin ich wieder auf der Baustelle, um zu schauen, ob Gebr. Nadler mit der Fußbodenheizung fertig geworden sind und der Estrich wie geplant gegossen wird. Er wird. Die Außenputzer sind auch wieder da. Sie haben auf sämtliche Außenwände eine weiße Schicht gespachtelt und eine Art Netz darauf geklebt, in das der Putz eingearbeitet werden wird – die Armierung, die die Bildung von Rissen verhindern soll. Nur die Hausseite, an der sich der Seiteneingang befindet, ist noch nicht fertig vorbereitet fürs endgültige Verputzen. Dort fehlt nämlich das Gerüst.
    Dass das Gerüst fehlt, hat etwas damit zu tun, dass in den letzten Wochen die Hauszuführungen für die Gas-, Wasser- und Stromversorgung gebaut wurden. Als Hauszuführung bezeichnet man jenen Leitungsabschnitt, der von der Hauptversorgungsleitung auf öffentlichem Grund auf das Grund stück abzweigt und an der dafür vorgesehenen Stelle ins Hausinnere hineinführt, zum sogenannten Übergabepunkt.
    Für den Bau der Hauszuführungen sind die jeweiligen Netzbetreiber zuständig. In Hamburg sind das E.ON Hanse, die Hamburger Wasserwerke und Vattenfall. Als ehemals staatliche, inzwischen privatisierte Versorgungsunternehmen müssen Vattenfall und E.ON Hanse auf dem Strom- und Gasmarkt mit anderen Anbietern konkurrieren. Für das Funktionieren, die Wartung, die Instandsetzung und den Ausbau des Leitungsnetzes sind sie jedoch weiterhin allein zuständig. Erst wenn die Netzbetreiber die Hauszuführungen gebaut haben, kommen der Elektriker und der Sanitärinstallateur wieder zum Einsatz: Sie installieren all jene Leitungen im Hausinneren, die vom Übergabepunkt im Technikraum zu den eigentlichen Verbrauchsstellen führen.
    Vor fast einem Jahr, bevor das alte Haus abgerissen wurde, habe ich den Rückbau der Hauszuführungen beantragt. Vor ein paar Wochen nun musste ich den Aktenordner »Abriss« wieder aus dem Regal ziehen und die Liste mit den Ansprechpartnern bei den verschiedenen Netzbetreibern erneut durchtelefonieren, um die Wiederherstellung der Hauszuführungen in die Wege zu leiten. Die Netzbetreiber ver langen ungehinderten Zugang zu der Stelle, an der die Hauszuführung ins Haus hineinführt: Bei uns laufen die Hauszuführungen unterhalb des Seiteneinganges ins Haus hinein, also musste dort das Gerüst abgebaut werden. Vattenfall hat seine Rechnung schon geschickt.
    »Gut, dass Sie da sind«, spricht mich Herr Meyer, der Außenputzer, an. »Ich hab da mal eine dringende Frage. Wann wird denn das Gerüst endlich wieder aufgebaut, wissen Sie das? Das sollte doch schon vorgestern passieren. Wir können ja gar nicht weitermachen, solange das nicht wieder steht.«
    Ich rufe Katja an.
    Katjas Nummer habe ich in meinem iPhone schon vor Monaten unter »Favoriten« abgespeichert. Das Haus ist noch längst nicht fertig, noch ist nicht absehbar, wie viele weitere Monate Katja unsere Bauleiterin bleiben wird, aber schon jetzt ist klar: Zeit meines Lebens habe ich mit keinem Menschen öfter telefoniert als mit ihr – bis zu vier- oder fünfmal täglich. Hinzu kommen die E-Mails, die wir einander schicken: Jede Entscheidung müssen wir schriftlich bestätigen. Zu jedem noch so kleinen Hausdetail – Wie breit werden die Fußleisten? Welchen Griff bekommt der Garderobenschrank? Wie wird der Schornstein verkleidet? Aus wel chem Material besteht die Fußmatte? – entsteht ein elektronischer Schriftwechsel. Katja schickt Mails mit Angeboten, Vorschlägen, Aufgaben, Protokollen, Erklärungen, Informationen und Terminen, die wir freigeben, kommentieren, erledigen, lesen, verstehen, sichten oder bestätigen müssen. Wir schicken Mails mit Fragen, Bitten, Beschwerden, Sorgen und Ideen, die Katja beantworten, erfüllen, prüfen, beschwichtigen oder mit Sarah besprechen muss. Irgendwann, lange nach unserem Einzug, zähle ich spaßeshalber nach, wie viele Mails wir einander im Laufe unserer Zusammenarbeit geschrieben haben. Ich habe sie fast alle aufbewahrt. Ich zähle: achthundertdreiundzwanzig.
    Katja ist uns gegenüber immer freundlich. Selbst die x-te Nachfrage zu demselben Thema bringt sie nicht aus der Fassung. Sie bleibt gelassen, auch wenn ich mich aufrege. Nie vergehen mehr als ein paar Stunden, bis sie auf eine E-Mail reagiert. Nur

Weitere Kostenlose Bücher