Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
losgehen.«
Mama versteinert, heute geht auch ihr jeder Sinn für den Humor ihres Mannes ab. Sie steht vom Frühstückstisch auf und geht sofort los, allerdings nicht mit den Kindern in die Stadt, sondern allein zum Auto. Sie steigt ein und fährt Richtung Supermarkt, um den Wochenendgroßeinkauf zu erledigen – bloß weg von dem Mann mit den schlechten Scherzen. Während sie fährt, fängt sie an zu weinen, sie fährt auf den Supermarktparkplatz, parkt und lässt die Stirn schluchzend auf das Lenkrad sinken. Sie tut sich sehr, sehr leid, weil ihr gerade eben klar geworden ist: Sie ist am Ende. Und, was noch schlimmer ist, auch die Ehe mit dem Mann, mit dem sie in einem Monat ins gemeinsame Haus ziehen will, ist am Ende. Oder kurz davor.
Paare, die beschließen zu bauen, müssen nicht lange warten, bis der erste Mitmensch ihnen die Geschichte eines anderen, meist entfernt bekannten Paares aufdrängt, das seit zwanzig Jahren zusammen oder seit zehn Jahren verheiratet war, dann ein Haus kaufte oder baute, nur um drei Monate nach dem Einzug das Ende ihrer Beziehung bekannt zu geben. Diese Geschichte schließt üblicherweise mit dem Satz: »Na, hoffentlich übersteht ihr beide das.«
Es gibt das Sprichwort: Pro Kind ein Zahn.
Das kenne ich, seit mir nach der Geburt unseres Sohnes ein Zahn gezogen werden musste. Seit wir bauen, ist mir auch dieses Sprichwort bekannt: Pro Haus eine Ehe.
»Und?«, erkundigen sich Freunde und Bekannte regelmäßig bei mir. »Wie geht es mit dem Haus und so? Habt ihr schon die Scheidung eingereicht?«
»Nein«, habe ich bisher geantwortet. »Wieso sollten wir? Ganz schön anstrengend, ja. Aber sonst, alles gut.«
Seit ich weiß, was Bauen bedeutet, bin ich sicher, dass es Paare gibt, die es sich sehr gut überlegen sollten, ob ein Hausbau das Richtige für sie ist.
Man stelle sich nur ein Paar vor, bei dem ein Partner zu einem eher lockeren Umgang mit Geld neigt, der andere hingegen zu übergroßer Sparsamkeit. Bei jeder Ausgabe streiten beide darüber, ob sie notwenig oder überflüssig ist. Ein Hausbau wird ihnen Gelegenheit geben, sich monatelang täglich der Verschwendungssucht beziehungsweise des Knickertums zu bezichtigen. Eine harte Probe für die Liebe.
Man stelle sich ein Paar vor, bei dem der Mann einen völlig anderen Geschmack hat als die Frau. Schon bei der Einrichtung ihrer derzeitigen Wohnung haben sie drei Tage lang erbittert darüber gestritten, ob im Wohnungsflur ihre antike Bauernkommode oder seine Marcel-Breuer-Chiffonnier-Kommode zur Aufbewahrung von Handschuhen und Schals genutzt werden soll. Wie soll dieses Paar sich über die äußere und innere Gestaltung eines ganzen Hauses einigen, ohne einander hassen zu lernen?
Man stelle sich ein Paar vor, bei dem der Mann oder die Frau oder gar beide stets sehr lange brauchen, um sich zu entscheiden. Der Mann kauft keine Waschmaschine, bevor er nicht in zehn Geschäften die Preise verglichen, im Inter net sämtliche verfügbaren Waschmaschinen-Testberichte studiert und alle ihm bekannten Waschmaschinennutzer im privaten Umfeld nach ihrer Waschmaschinenempfehlung befragt hat. Die Frau gehört zu jener Sorte Konsumentinnen, die acht von zehn gekauften Kleidungsstücken wieder ins Geschäft zurückträgt und um Erstattung des Kaufbetrages bittet, weil sie sich nicht mehr ganz sicher ist, ob sie ihr wirklich gefallen. Eigentlich wollten die beiden schon vor einem Jahr ein neues Auto kaufen, aber leider fragt, sobald sie sich für ein Modell entschieden haben, immer einer von beiden: »Ist denn das jetzt wirklich der Kleinwagen mit dem niedrigsten Verbrauch?« Ein solches Paar würde durch einen Hausbau in den Wahnsinn getrieben werden.
Man stelle sich ein Paar vor, das einen ähnlichen Geschmack hat und ähnliche Vorstellungen davon, wofür man wie viel Geld ausgeben sollte, und bei dem wenigstens einer von beiden das Leben eher leicht nimmt und den anderen mitzureißen vermag. Allerdings haben die beiden andere Probleme: Er findet, dass sie zu viel Aufhebens um das Kind macht. Sie findet, dass er sich selbst und seinen Job zu wichtig nimmt. Sie grollen einander oft, haben es aber aufgegeben, miteinander über ihren Groll zu reden. Jeder derartige V ersuch endete in gegenseitigen Vorwürfen und heftigem Streit. Als sich die Gelegenheit ergibt, ein Haus zu bauen, denken beide, dass ihnen diese Aufgabe guttun wird: Endlich ein Gemeinschaftsprojekt, das sie einander wieder näherbringen wird. Doch die stille Wut
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