Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
erzählen. Ich traue mich nicht, weil ich fürchte, dass er ebenso ausgelaugt und dünnhäutig ist wie ich. Ich will ihn nicht zusätzlich mit meinem Gejammer belasten. Wir stehen morgens auf und reden als Erstes darüber, was heute in Sachen Haus getan werden muss. Das Letzte, worüber wir reden, bevor wir abends ins Bett fallen, ist, ob das, was heute getan werden musste, getan wurde und was morgen zu tun ist. Wir sind immer müde, wir gehen kaum noch aus, wir laden keine Freunde mehr ein, wir sitzen nie einfach auf dem Sofa rum, immer machen oder besprechen wir irgendetwas, wir reden nur noch über das Haus, nicht mehr über uns.
Nachdem ich mich beruhigt habe und vom Einkaufen zurückgekehrt bin, schicke ich meine Kinder nach draußen und sage zu meinem Mann: »Wir müssen dringend miteinander reden.«
»Worüber denn nun schon wieder?«, fragt mein Mann. »Ich dachte, wir wären erst mal durch. Und die Hecke kann doch sowieso erst im Herbst gepflanzt werden, sagt Katja. Das müssen wir ja wohl nicht jetzt entscheiden, ob wir Buche oder Thuja nehmen. Wobei ich übrigens auf jeden Fall Buche will.«
»Über uns«, sage ich. »Wir müssen über uns reden.«
»Oha«, sagt mein Mann. »Das ist ja mal ein originelles Thema.«
»Es ist schrecklich, ich weiß vor lauter Hausbauen gar nicht mehr, was in dir vorgeht«, sage ich. »Wie es dir wirklich geht, meine ich.«
»In mir geht vor sich: der Gedanke, dass ich heute mal einen gemütlichen Mittagsschlaf machen möchte«, sagt mein Mann. »Und: Ich bin ziemlich müde, aber sonst geht es mir eigentlich wirklich gut.«
»Aber mir nicht«, sage ich.
Eine Stunde später liege ich im Arm meines Mannes auf dem Sofa. Es geht mir wieder viel besser. Vielleicht, denke ich, ist unsere Ehe doch nicht am Ende.
»Man muss aber schon aufpassen, was aus einem wird, was das Leben so aus einem macht«, nuschele ich mit geschlossenen Augen. »Damals, als wir viel weniger Geld und viel weniger zu tun hatten, da haben wir noch nicht solche Gespräche geführt.«
»Da haben wir auch noch in der Küche Kette geraucht und dreimal am Tag Sex gehabt und es am Wochenende nicht geschafft, vor zwölf Uhr mittags aufzustehen, und das Klo nur einmal im Jahr geputzt«, sagt mein Mann und küsst mich auf die Schläfe. »Nur noch ein Monat, dann haben wir ein ganz schönes Zuhause und wieder viel mehr Zeit füreinander. Ich freue mich riesig darauf, auf dich und auf das Haus.«
»Ich mich auch«, sage ich. Dann schlafen wir ein, gemeinsam.
Baunebenkosten inkl. MwSt.:
Übertrag 67.754,50 €
Telekom, Herstellung einer Hauszuführung 353,17 €
Kabel Deutschland, Bau eines Übergabepunktes 199,99 €
Zwischensumme 68.307,66 €
Countdown
Solange ein Haus nicht bezogen sei, hat Sarah festgestellt, nennen die meisten Bauherren es »das« Haus: »Ich muss heute noch mal zum Haus.« – »Im Haus läuft es gerade nicht so gut.« – »Also dann, um halb vier vor dem Haus.« Oder: »Das Haus ist fast fertig.«
Erst nach dem Einzug fangen die Bauherren an, es »unser« Haus zu nennen: »Unser Haus ist noch nicht ganz fertig, aber man kann schon drin wohnen.« – »Willst du uns nicht mal in unserem neuen Haus besuchen?« Oder: »Unser Haus ist wirklich schön geworden.«
An einem Donnerstagvormittag Ende Juni fahre ich ein letztes Mal zum Haus. Ab morgen wird das Haus unser Haus sein.
Seit wir begonnen hatten, das Haus zu bauen, hatte ich mir oft ausgemalt, wie es sein wird, endlich dort einzuziehen: Ich hatte mir ausgemalt, wie wir in der Küche das graue Sofa in die Ecke vor dem Kamin schieben, wie ich das schwarze Bücherregal im oberen Flur mit Büchern fülle und das erste Mal in der offenen Dusche des Elternbades mit Blick auf den Balkon stehe. Das waren die konkreten Bilder, die ich vor Augen hatte, wenn ich mir unseren Einzug ausmalte. Ein sehr viel weniger konkretes Bild, eher ein Gefühl, das ich mit dem Einzug in das neue Haus verband, trug die Überschrift: Perfektion.
Ich gehöre leider zu jener Sorte Menschen, die insgeheim daran glauben, dass Perfektion die beste Voraussetzung für Glück ist. Mein psychologisch geschulter Verstand weiß, dass das Quatsch ist – ein gesundheitsgefährdender pro testantisch-preußischer Aberglaube. Darum habe ich mir angewöhnt, mich vor den Fernseher zu setzen, auch wenn in der Waschmaschine noch eine Ladung gewaschener Wäsche liegt. Ich zwinge mich dazu, zu einer bestimmten Uhrzeit Schluss zu machen mit der Arbeit am Schreibtisch,
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