Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
selbst wenn ich mein Tagespensum nicht geschafft habe. Und manchmal gelingt es mir sogar, abends das dreckige Geschirr in der Küche stehen zu lassen. Aber ein klitzekleines bisschen nagt es fast immer an mir, dass niemals alles fertig, erledigt, geregelt, aufgeräumt, eben perfekt ist.
Die Aussicht, einen Neubau zu beziehen, ließ mich hoffen, ein einziges Mal in meinem Leben jene häusliche Perfektion erleben zu dürfen, auf die ich alltags mittlerweile zu verzichten bereit bin – ein Haus, in dem alles nagelneu, unbenutzt, sauber, frei von jeder Unordnung wäre. Vor dem Umzug, so hatte ich es mir vorgestellt, würde ich das leere, ganz und gar saubere Haus besuchen. Ich würde andächtig durch die Räume schreiten und mich an ihrer Makellosigkeit berauschen, bevor sie durch unseren Einzug entweiht werden würden. Vermutlich würde es keine zehn Minuten dauern, bis das erste Kind mit dreckigen Fingern an eine der schneeweißen Wände gefasst haben würde.
Drei Wochen vor dem Umzug hat mich Katja daran erinnert, dass wir uns dringend eine Gebäudereinigungsfirma suchen müssen, die die sogenannte Bauendreinigung übernimmt.
»Das Haus muss ja noch mal richtig sauber gemacht werden, bevor ihr einzieht«, sagt Katja.
»Klar, aber kann das nicht unsere Reinemachefrau übernehmen?«, will ich wissen.
Katja kichert, mal wieder.
»Nee«, sagt sie, »ich glaube kaum, dass eure Putzfrau das übernehmen kann. Bauendreinigung bedeutet ja nicht, dass ein bisschen gesaugt und gewischt wird. Bei der Bauendreinigung werden alle Spuren beseitigt, die die verschiedenen Gewerke im Haus hinterlassen haben: feinster Baustaub vom Fliesenschneiden oder Wände schleifen, Farbkleckse auf den Fensterrahmen oder dem Fußboden, Silikonspritzer auf Fenstern oder Waschbecken, Klebereste von irgendwelchen Klebebändern. Da sollte man schon Profis beauftragen. Die wissen, mit welchen Mitteln man was wegbekommt, ohne dass Oberflächen beschädigt werden.«
»Ach so«, antworte ich. Drei Tage später habe ich eine Gebäudereinigungsfirma gefunden.
Den Termin, an dem die Gebäudereiniger kommen und das Haus reinigen sollen, muss ich in den nächsten Tagen immer wieder verschieben, bis nur noch ein möglicher Termin bleibt: der Tag vor unserem Einzug. Dass ich den Termin immer wieder verschieben muss, liegt daran, dass sich der Zeitplan immer wieder verschiebt – selbstverständlich immer mehr Richtung Einzugstermin.
Der Fußboden wird eine Woche später verlegt als ursprünglich geplant, weil der Bodenleger Zweifel daran hat, dass der Estrich trocken genug, also »belegreif« ist, so der Fachausdruck. Für jeden Fußbodenbelag gibt es einen bestimmten Feuchtigkeitswert, der nicht überschritten werden darf, weil sonst die Gefahr besteht, dass der Belag im Laufe der Zeit Schaden nimmt. Verlegt der Bodenleger einen Bodenbelag auf einem Estrich, der keine Belegreife erreicht hat, haftet er für eventuelle Schäden: Erst nachdem der Estrichbauer einen Feuchtigkeitsexperten organisiert hat, der anhand einer chemischen Analyse – der sogenannten CM -Messung – nachweisen kann, dass unser Estrich die vorgeschriebenen Feuchtigkeitswerte einhält, ist der Bodenleger bereit, sich an die Arbeit zu machen.
Weil die Küche, die Türzargen und Türen, die Bücherregale und die Einbauschränke erst eingebaut werden können, wenn der Fußboden verlegt worden ist, verschieben sich auch diese Arbeiten. Außerdem erkrankt der Malergeselle, der unser Haus fertig streichen soll, an Ehec. Es dauert ein paar Tage, bis sein Chef Ersatz für ihn organisiert hat.
»Fürs Wetter und für Viren kann keiner was«, sagt mein Mann.
Das größte Problem ist der Fliesenleger, der bereits mit dem Fliesen des Elternbades angefangen hat und Anfang Juni wiederkommen soll, um beide Bäder fertig zu fliesen. Er kommt aber nicht. Der Fliesenleger, Herr Jacobs, ist uns von dem Fliesenhändler empfohlen worden, bei dem wir die Fliesen gekauft haben. Es ist das erste Mal, dass Sarah und Katja mit ihm zusammenarbeiten – und das allerletzte Mal, wie Katja mir gut zwei Wochen vor unserem Umzug, an einem Donnerstag, am Telefon mitteilt: »Es tut mir total leid, aber ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll. Ich versuche seit Montag, Herrn Jacobs zu erreichen und zu fragen, wann der endlich kommt. Ich habe ihn mehrmals angerufen und auf seine Mobilbox gesprochen, ich habe ihm E-Mails geschickt, ich habe ihm eine SMS geschrieben. Er meldet sich nicht. Hoffentlich ist er nicht
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