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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Quadratmeter. Sarah rümpft die Nase, als sie die Kollektoren sieht.
    »Ist ja ein ganz schönes Monster, das ihr da habt«, finden auch Holger und Andrea. »Habt ihr damit gerechnet, dass das so groß wird? Ohne sah das Haus besser aus, oder?«
    Nein, das finde ich nicht. Ich finde, Solaranlagen und an dere umweltschonende Technologien sind erhaben über her kömmliche ästhetische Prinzipien, beziehungsweise: Sie bil den eine eigene moderne ästhetische Kategorie. Ich bin stolz auf die Solaranlage, und es macht mir gar nichts aus, dass man sie bereits sieht, wenn man in unsere Straße einbiegt.
    Anfang Mai spricht uns der nächste Nachbar an, ein Installateurmeister: »Ist euch eigentlich aufgefallen, dass die Kollektoren falsch aufgestellt sind? Die müssen exakt Richtung Süden ausgerichtet werden.«
    Der Nachbar hat recht, die Kollektoren sind nach Südosten ausgerichtet. Warum eigentlich? Das Grundstück ist ein Nordsüdgrundstück, das Haus hat eine exakte Nordsüdausrichtung, der Hauseingang zeigt Richtung Norden, die Wohnküche mit Terrassen- und Gartenzugang liegt Richtung Süden. Man hätte nicht einmal einen Kompass benötigt, um die Kollektorenständer nach Süden auszurichten, man hätte sie einfach parallel statt schräg zum Dachrand aufstellen müssen.
    Ich schreibe Herrn Tiedemann eine Mail. Er antwortet nicht. Ich spreche einen seiner Mitarbeiter an. Der Mitarbeiter sagt: »Herr Tiedemann hat gesagt, die können so stehen bleiben. In den Förderrichtlinien steht, Kollektoren dürfen auch nach Südosten oder Südwesten ausgerichtet sein.«
    Der Bund fördert bei Neubauten keine Solaranlagen mehr. Die Stadt Hamburg dagegen gewährt freiwillig eine Zulage von fünfundsiebzig Euro pro Quadratmeter, in unserem Falle also siebenhundertfünfzig Euro. Ich höre, was der Installateur sagt, und überlege, ob ich darüber lachen oder weinen soll, dann atme ich einmal tief ein und aus, bevor ich dem Installateur antworte. Eine solche Argumentation muss man als halbwegs intelligenter Mensch erst mal verknusen.
    »Klar«, sage ich. »Solaranlagen werden auch dann gefördert, wenn die Kollektoren nach Südwesten oder Südosten ausgerichtet sind – zum Beispiel weil sie auf einem Satteldach befestigt werden und nun mal keine der Satteldachseiten nach Süden zeigt. Die Förderrichtlinien ändern aber nichts daran, dass Solarkollektoren im Optimalfall nach Süden ausgerichtet sind.«
    Ich habe extra noch einmal im SolarZentrum Hamburg – einer öffentlichen Beratungsstelle – angerufen, um mir das bestätigen zu lassen.
    »Da man auf einem Flachdach die Kollektoren ausrichten kann, wie man will, spricht nichts dagegen, sie möglichst nach Süden statt nach Südosten auszurichten. Diese Anlage kostet uns viele Tausend Euro, dafür möchten wir Solarkollektoren, die einen optimalen Ertrag bringen.«
    »Da muss ich noch mal nachfragen«, sagt der Installateur.
    »Tun Sie das«, sage ich. Irgendwann, sage ich mir, werden die Kollektoren richtig stehen. Wenn nicht morgen, dann nächste Woche. Wenn nicht nächste Woche, dann nächsten Monat.
    Mein Mann und ich müssen nur noch ein paar letzte Entscheidungen treffen. Am Anfang machte das Aussuchen noch richtig Spaß, inzwischen müssen wir uns fast dazu zwin gen. Wir sind des Geldausgebens plötzlich überdrüssig. Nicht deshalb, weil wir pleite sind. Wir liegen mit unseren Ausgaben im Kostenplan, hat uns Katja mitgeteilt. Sondern: Der Konsum schöner Dinge ist zu einem schalen Vergnügen geworden. Nachdem wir über ein Jahr lang vier- und fünfstellige Aufträge in Serie erteilt haben, bis uns jeder Betrag unter tausend Euro wie Peanuts vorkam, nachdem ich einen beträchtlichen Teil meiner Lebenszeit mit der Suche nach der perfekten Küche verbracht habe, sehne ich mich nach Askese. Vielleicht habe ich sogar das Gefühl, Buße tun zu müssen.
    Wir entscheiden uns für die billigsten Terrassenfliesen, die es gibt: für Betonplatten, dreizehn Euro brutto pro Quadratmeter. Gegen einen in die Wand integrierten Klopapierrollenhalter. Wir kaufen Türbeschläge im Baumarkt. Wir ersteigern die beiden Barhocker, die wir für den Küchentresen brauchen, bei E-Bay.

    Ich stehe schweigend daneben, als Katja mit dem Tischler eine Viertelstunde lang über die richtige Form einer Türzarge diskutiert – so wie sie und Sarah sich auch sehr lange über die richtige Farbe einer Silikonfuge oder das richtige Fliesenmuster den Kopf zerbrechen können. Ich höre zu und denke: Wie

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