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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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immer. Dann ging seine Mom ins Haus, und von einer Sekunde auf die andere war alles anders, hatte alles sich verändert. Nun war er kein Neunjähriger mit einer Mom, einem Dad und einem Bruder mehr. Er war nicht mehr glücklich, seine Mom auch nicht, und die Nachbarn lächelten ihn so traurig an, dass er sich wünschte, sie würden gar nicht lächeln. Das Essen wurde nicht mehr von ihrer Mom zubereitet, sondern kam aus Behältern, die irgendwelche Frauen aus der Nachbarschaft anschleppten, die auch traurig aussahen, und wenn er in der Schule Quatsch machte, sah ihn der Lehrer mit dem gleichen traurigen Gesicht an. Alle hatten das gleiche traurige Gesicht. Die fünf Extraminuten reichten nicht.
    Mom sagte ihnen, dass Dad an einem Herzanfall gestorben war. Das erzählte sie allen, der ganzen Familie und auch denen, die mit Essen oder Kuchen vorbeikamen.
    Justin brachte es nicht übers Herz, jemandem zu beichten, dass er die Wahrheit kannte, zum Teil, weil er selbst an die Lüge glauben wollte, zum Teil, weil er dachte, seine Mutter hätte auch schon angefangen, an sie zu glauben. Nicht einmal Jennifer hatte er etwas davon erzählt, denn wenn er es aussprach, wurde es wahr, und er wollte den Selbstmord seines Vaters nicht auf diese Weise offiziell machen.
    Jetzt, wo auch seine Mutter nicht mehr lebt, ist er der einzige Mensch, der die Wahrheit über seinen Vater weiß. Die Geschichte, die ursprünglich erfunden worden ist, um ihnen zu helfen, hängt am Ende wie eine drohende schwarze Wolke über Al und ist eine Last für Justin. Er will Al die Wahrheit sagen, jetzt sofort. Aber hilft ihm das wirklich? Die Wahrheit zu kennen ist doch viel schlimmer für Al, und Justin muss ihm auch erklären, wie und warum er sie ihm all die Jahre vorenthalten hat … Andererseits liegt die Last dann nicht mehr allein auf seinen Schultern. Vielleicht wäre das eine Befreiung. Es könnte Al von seiner Angst vor einem Herzversagen befreien, und sie könnten sich den Tatsachen gemeinsam stellen.
    »Al, ich muss dir etwas sagen«, beginnt Justin also.
    In diesem Moment klingelt es an der Tür. Ein scharfes Bimmeln, das sie beide aus ihren Gedanken aufschrecken lässt, das die Stille durchstößt wie ein Presslufthammer eine Glasscheibe. Alle Gedanken zerspringen und fallen in tausend Scherben zu Boden.
    »Will vielleicht mal jemand aufmachen?«, schreit Doris aus ihrem Zimmer.
    Mit einem weißen Farbring auf dem Hinterteil geht Justin zur Tür. Die Tür ist schon ein Stück offen, aber er sperrt sie noch weiter auf. Vor ihm auf dem Geländer hängt seine Wäsche aus der Reinigung. Hosen, Hemden, Pullis, alles ordentlich in Plastikfolie verpackt. Aber kein Mensch ist da. Justin tritt vor die Tür, rennt die Kellertreppe hinauf, um zu sehen, wer die Wäsche gebracht hat, aber abgesehen vom Müllcontainer ist der Rasen völlig leer.
    »Wer ist es denn?«, will Doris wissen.
    »Niemand«, antwortet Justin verwirrt, hakt seine Sachen vom Geländer los und trägt sie ins Haus.
    »Willst du behaupten, dass dieser billige Anzug selbst auf die Klingel gedrückt hat?«, fragt sie, immer noch ärgerlich.
    »Ich weiß es nicht. Seltsam. Bea wollte die Sachen morgen abholen. Ich hatte auch keine Lieferung mit der Wäscherei vereinbart.«
    »Vielleicht ist es eine Sonderlieferung für besonders gute Kunden, denn wie es aussieht, lässt du ja deine gesamte Garderobe dort reinigen.« Voller Abscheu mustert sie seine Klamotten.
    »Ja, und ich wette, die Sonderlieferung zieht eine dicke Rechnung nach sich«, brummt er. »Ich hatte vorhin einen kleinen Streit mit Bea, vielleicht soll das hier eine Entschuldigung sein.«
    »Ach, du bist wirklich ein alter Sturkopf«, meint Doris und verdreht die Augen. »Kommst du denn nie auf die Idee, dass du es bist, der sich entschuldigen sollte?«
    Mit zusammengekniffenen Augen sieht Justin sie an. »Hast du mit Bea gesprochen?«
    »Hey, sieh mal, da ist ein Umschlag dran«, bemerkt Al und erstickt damit den neuen Streit im Keim.
    »Da hast du deine Rechnung!«, lacht Doris.
    Justins Herz klopft ihm bis in den Hals, als er den vertrauten Umschlag sieht, er wirft die gereinigten Klamotten auf die Plane und reißt ihn auf.
    »Sei vorsichtig, die Sachen sind frisch gebügelt!«, ruft Doris, hebt den Packen auf und hängt das Zeug an den Türrahmen.
    Unterdessen holt Justin die Karte aus dem Umschlag, liest und schluckt schwer.
    »Was steht denn da?«, fragt Al.
    »So wie er guckt, ist es eine Morddrohung«, meint Doris

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