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Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Titel: Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva;Buccieri Mozes Kor
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musterten unsere gleich geschnittenen weinroten Kleider.
    »Sind das Zwillinge?«, fragte er Mama.
    Sie zögerte. »Ist das gut?«
    »Ja«, sagte der Wachmann.
    »Sie sind Zwillinge«, antwortete Mama.
    Ohne ein weiteres Wort packte er Miriam und mich und riss uns von Mama weg.
    Wir schrien und weinten, als wir weggezerrt wurden. Wir flehten ihn an, uns bei ihr zu lassen. Der deutsche Wachmann schenkte unseren Bitten keine Beachtung. Er schleppte uns auf die andere Seite der Bahngleise, weg von der Selektionsrampe. Ich wandte den Kopf und sah meine Mutter, voller Verzweiflung, die Arme nach uns ausgestreckt, laut wehklagend. Ein Soldat packte sie und schleuderte sie in eine andere Richtung. Meine Mama verschwand in der Menge.
    Danach geschah alles schnell, so schnell. Wachleute unterteilten die Menschen auf der Selektionsrampe in Gruppen. Eine Gruppe bestand aus jungen Männern und Frauen. Eine andere aus Kindern und älteren Menschen. Miriam und ich hielten uns aneinander fest, während wir zu einer Gruppe von dreizehn Zwillingspaaren gebracht wurden, die aus unserem Zugtransport stammten: sechsundzwanzig Kinder, alle verängstigt und durcheinander.
    Ein Wachmann führte eine Mutter mit ihren Zwillingskindern zu unserer Gruppe. Die kannte ich! Es war Frau Csengeri, die Frau des Ladenbesitzers in S ˛ imleu Silvaniei, der Stadt in der Nähe unseres Dorfs. Ihre Zwillingstöchter waren acht Jahre alt, und wenn wir bei ihr im Laden einkauften, redeten Mama und sie gern über die Probleme bei der Erziehung von Zwillingen. Sie und die Mädchen blieben bei unserer Gruppe. Warum hatten die Wachen die Mutter dieser Mädchen mitkommen lassen, unsere aber nicht? Ich hatte keine Zeit, über diese Frage lange nachzudenken, denn bald passierten weitere Dinge.
    Nach einer halben Stunde führte uns ein SS-Mann zu einem großen Gebäude am Stacheldrahtzaun. Sobald wir das Gebäude betraten, wurden wir angewiesen, uns zu entkleiden. Erneut war ich wie betäubt, befand mich nicht mehr in meinem eigenen Körper. Das alles war ein Albtraum, nicht wahr? Er würde enden, sobald ich meine Augen aufschlug, und Mama würde da sein und mich trösten, nicht wahr? Doch ich träumte nicht.
    Uns allen wurden die Haare kurz geschnitten. Der Friseur erklärte, dass Zwillinge eine Vorzugsbehandlung erhielten: Wir durften einen Teil unserer Haare behalten. Ich hatte ein wenig Deutsch gelernt, deshalb verstand ich im Kern, was gesprochen wurde. Als ich zusah, wie unsere langen Zöpfe zu Boden fielen, fühlte ich mich nicht gerade besonders privilegiert.
    Als Nächstes duschten wir. Unsere Kleidung war mit einer Läusevernichtungs-Chemikalie desinfiziert worden und wurde uns zurückgegeben. Unsere eigene Kleidung zu tragen, war ein weiteres »Privileg« für uns Zwillinge, das andere Gefangene nicht hatten. Miriam und ich zogen unsere Kleider an, aber jetzt war bei beiden ein großes rotes Kreuz auf den Rücken gemalt. Ich verabscheute dieses rote Kreuz auf Anhieb. Mein Kleid zu tragen empfand ich ebenfalls nicht als Privileg. Ich begriff, dass die Nazis dieses rote Kreuz, ähnlich wie den gelben Stern, den sie die Juden in den Gettos zu tragen zwangen, zu unserer Kennzeichnung benutzten, damit wir nicht fliehen konnten.
    Spontan beschloss ich, niemals das zu tun, was die Wachen von mir verlangten. Ich wollte ihnen so viel Ärger wie möglich bereiten.
    In der Aufnahmestelle wurden den neu Angekommenen die Arme tätowiert. Wir sahen zu, wie die Gefangenen einer nach dem anderen vortraten und ihre Arme ausstrecken mussten. Dann wurden die Arme festgehalten, während das Gerät ihnen Nummern ins Fleisch brannte und heftige Schmerzen zufügte.
    Aber nicht mit mir. Nein, ich würde kein williges Schaf mehr sein. Als ich an der Reihe war, wehrte ich mich und trat um mich. Der SS-Mann packte meinen Arm. Sein Griff, der mir die Haut zusammenquetschte, brachte meine Entschlossenheit ins Wanken. »Ich will zu meiner Mama!«, schrie ich.
    »Stillhalten!«, befahl der Wachmann.
    Ich biss ihn in den Arm. »Holt meine Mama zurück!«
    »Du kannst sie morgen sehen.«
    Ich wusste, dass er log. Sie hatten uns gerade erst von Mama weggerissen, warum sollten sie uns am nächsten Tag wieder zusammenbringen? Vier Leute mussten mich festhalten, während sie die Spitze eines Geräts, das an einen Füllfederhalter erinnerte, über offener Flamme erhitzten und in blaue Tinte tauchten. Dann hielten sie die heiße Nadel an mein Fleisch und begannen meine Registrierungsnummer in

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