Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt
die älteren Mädchen erfuhren wir auch, dass einige Auschwitz-Überlebende in einem Flüchtlingslager in Kattowitz lebten, darunter unsere Freundin von zu Hause, Frau Csengeri, mit ihren Zwillingstöchtern. Eines Tages ersann ich einen Plan, wie wir aus dem Kloster wegkommen könnten.
»Komm mit, Miriam«, sagte ich. »Wir werden Frau Csengeri besuchen.«
»Warum?«, wollte Miriam wissen.
»Komm einfach mit mir.«
Wir stiegen in eine Straßenbahn und fuhren zum Lager. Als wir Frau Csengeri fanden, fing ich wie ein Wasserfall zu reden an. »Sie sind die Freundin von meiner Mama gewesen«, sagte ich. »Wir wollen nicht im Kloster bleiben, aber sie wollen uns nicht weglassen, weil wir unsere Eltern nicht finden.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte sie. »Aber warum erzählst du mir das alles?«
Ich zögerte, dann platzte ich heraus: »Würden Sie ein Papier unterschreiben, das besagt, dass Sie unsere Tante sind, und uns herausholen, damit wir nach Hause können?«
Zuerst sagte Frau Csengeri nichts. Schließlich antwortete sie: »Gut. Ich gehe mit euch ins Kloster und unterschreibe die Papiere.« Sie stockte und fügte dann hinzu: »Und dann nehme ich euch mit nach Hause.«
Ich war überglücklich.
Im März 1945 zogen Miriam und ich zu Frau Csengeri und ihren Töchtern ins Lager. Wir wohnten in einem Raum in den Baracken, den wir uns mit einer Frau Goldenthal und ihren drei Kindern teilten.
Frau Goldenthals Zwillinge, Alex und Erno, waren in unserem Alter und ich fand heraus, dass sie wie wir in Auschwitz für Mengeles Experimente selektiert worden waren. Frau Goldenthal war bei ihnen geblieben, und später erfuhr ich, dass sie das jüngere Kind, Margarita, unter ihrem langen Rock versteckt gehalten hatte. Sie war ins Lager gekommen, das Kind unter ihrem Kleid, und während ihrer gesamten Zeit dort, selbst in der Baracke, wo Margarita während der Kontrollgänge unter der Matratze Unterschlupf suchen musste, hatten sie und die anderen Frauen zusammen geholfen, das Kind zu verbergen.
Jetzt kümmerten sich Frau Goldenthal und Frau Csengeri um uns alle. Sie wuschen uns und reinigten unsere Kleidung in kochend heißem Wasser. Sie befreiten uns von den Läusen. Frau Csengeri nähte für Miriam und mich Kleider aus großen sowjetischen Khakiuniformen. Wenn ich dieses Kleid trug, fühlte ich mich wieder wie ein kleines Mädchen. Sie bereitete uns sogar besonderes Essen zu. Miriam und ich fühlten uns fast wieder wie in einer Familie, so von Erwachsenen umsorgt wie früher.
Die Sowjetsoldaten, die die Aufsicht über das Lager hatten, schenkten uns Brot und wöchentlich einen halben Rubel, den wir ganz nach eigenem Belieben ausgeben durften. Manchmal gingen Miriam und ich zu dem städtischen Markt, der unter freiem Himmel stattfand, und kauften einen Apfel. Normalerweise erhielten wir einfaches, sättigendes Essen wie Brot, Kartoffelsuppe und Fleisch. Ein Apfel war ein Luxus, der uns begeisterte.
Eines Morgens, nach eineinhalb Monaten, weckte mich Frau Csengeri aus tiefem Schlaf. »Packt alles ein«, sagte sie. »Wir gehen hier weg.« Wir holten unsere Siebensachen zusammen. Miriam und ich, Hand in Hand in unseren gleich geschnittenen Khakikleidern, bestiegen gemeinsam mit unserer kleinen Gruppe einen Zug. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir fuhren, doch wusste ich genau, wohin wir wollten. Alles, was ich mir wünschte, war, meine Eltern oder jemanden von meiner eigentlichen Familie zu finden. Alles, was ich mir wünschte, war, nach Hause zu kommen.
Zwölftes Kapitel
Sowjetische Soldaten übernahmen die Organisation, als Miriam und ich die Heimreise mit Frau Csengeri, Frau Goldenthal und ihren Kindern antraten. Obwohl wir in einem Viehwaggon fuhren, war es ganz anders als bei unserer Reise nach Auschwitz. Der Zug war nicht überfüllt, und es gab bequeme, eingebaute Etagenbetten mit kleinen Matratzen. Wir liebten es, auf dem oberen Etagenbett zu sitzen und aus den Fenstern zu schauen, die diesmal nicht mit Stacheldraht versperrt waren. Nachts bekamen wir so viele Decken, wie wir wollten. Miriam und ich kuschelten uns eng aneinander. Noch immer redeten wir nicht über unsere Gefühle oder die aktuellen Ereignisse. Wir suchten einfach die beiderseitige Nähe.
Tagsüber blieben die Zugtüren offen. Miriam und ich saßen oft in der Türöffnung und ließen unsere Beine nach draußen baumeln. Der Zug rumpelte so langsam über die Gleise, dass man fast hätte mitrennen können. Der Wind strich über unsere Gesichter, und die
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