Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Titel: Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva;Buccieri Mozes Kor
Vom Netzwerk:
ebenso viele Orangen. Er werde für uns sorgen. In unseren Ohren klang Israel wie das Paradies!
    Tante Irena hatte, so erzählte sie, die Nachricht erhalten, dass ihr Sohn am Leben war und in Israel lebte. Sie wollte ebenfalls auswandern. Wir beantragten zu dritt Ausreisevisa, und unsere Tante erhielt ihres ohne Probleme. Bei Miriam und mir dauerte es zwei Jahre, bis wir unser Visum bekamen. Die Regierung wollte nicht, dass junge Menschen Rumänien verließen, weil man die Jugend zum Wiederaufbau des vom Krieg verwüsteten Landes brauchte.
    Trotzdem fingen wir an, uns auf unsere Reise vorzubereiten. Die Vorschriften, was wir ausführen durften, änderten sich täglich. Wir packten ein Jahr vor unserer Ausreise und wohnten inmitten von Kartons, deren Inhalt aus zur Mitnahme vorgesehenen Dingen bestand. Um das Land verlassen zu können, mussten Miriam und ich unseren restlichen Besitz überschreiben. Wir besaßen noch gut achttausend Quadratmeter Ackerland und das Haus in Portz. Die Kommunisten hatten bereits den Großteil unserer Ackerflächen eingefordert, um sie unter den Bauern zu verteilen. Wir wollten so unbedingt fort, dass wir unterschrieben.
    Zwei Monate, bevor wir Rumänien verließen, wurde Tante Irenas Mann aus dem Gefängnis entlassen und erhielt ein Visum. Vor uns Mädchen sagte er kein einziges Wort über das, was ihm zugestoßen war. Und wir waren einfach nur froh, dass er freigekommen war.
    Im Juni 1950 schließlich, als wir kurz vor der Abreise standen, informierte uns die Regierung, dass wir lediglich mitnehmen dürften, was wir am Leib trugen. Am Tag des Aufbruchs ließ uns Tante Irena unter unseren identischen Mänteln drei Kleider übereinander anziehen. Ich schlug die zerknitterten Fotos meiner Familie sorgsam in Papier ein und steckte sie ein.
    Wir fuhren mit dem Zug nach Constanza, eine Stadt am Ufer des Schwarzen Meers. Unter allgemeinem Stoßen und Drängeln stellten wir uns in einer Reihe an, um an Bord des Schiffs zu gelangen. Miriam und ich wurden eingezwängt. Ich konnte kaum atmen. Aber wir hielten eisern gegenseitig unsere Hände umklammert, damit wir nicht getrennt wurden. Auf einem Schiff, das nur für eintausend Passagiere gebaut war, befanden sich nun dreitausend. Wir mussten vierundzwanzig Stunden warten, bis wir losfuhren.
    Während wir uns vom Ufer entfernten, wurde mir bewusst, dass für Miriam und mich nichts mehr in Rumänien geblieben war. In den vergangenen fünf Jahren hatte ich unablässig gehofft, unsere Schwestern oder unsere Eltern würden zurückkehren. Die jüdischen Organisationen, die mit dem Roten Kreuz zusammenarbeiteten, hatten Listen von Heimkehrern ausgehängt. Ich hatte die Listen im Waisenhaus überprüft, wo wir täglich zu Abend aßen, aber es fand sich nicht die geringste Spur von einem Mitglied unserer Familie. Miriam und ich waren sechzehn Jahre alt. Wir mussten das hinter uns lassen.
    Es war eine lange, anstrengende Reise. Tagelang sahen wir kein Land, aber es war auch aufregend, auf offener See zu sein. Die endlosen Weiten von Wasser und Himmel, die frische Luft und der Wind, der uns durchs Haar strich, rochen nach Freiheit und Verheißung. Hand in Hand beobachteten Miriam und ich Delfine, die sich in und über dem Wasser tummelten.
    An einem frühen Morgen lief unser Schiff in Haifa ein. Als es anlegte, standen wir an Deck und sahen die Sonne über dem Berg aufgehen. Es war vielleicht das Schönste, was ich je gesehen hatte. Das Land der Freiheit. Die meisten Schiffspassagiere waren Holocaustüberlebende wie wir. Alle stimmten die israelische Nationalhymne »Hatikvah« an. Wir weinten und sangen vor Freude.
    Als wir im Hafen von Bord gingen, suchten wir einen Menschen, der nach uns Ausschau hielt. Schließlich entdeckte uns Onkel Aaron, er rief unsere Namen und schwenkte die Arme, damit wir ihn auch wirklich sahen.
    Wir fielen ihm in die Arme und er küsste uns. Wir weinten in seinen Armen. Es war schon so lange her, seit wir beide echte Zuneigung von jemand anderem erfahren hatten.
    Meine Zwillingsschwester und ich, mit unseren gleich geschnittenen rostfarbenen Mänteln und mehreren Lagen von Kleidern übereinander, spürten endlich, dass wir nach Hause gekommen waren.

Vierzehntes Kapitel
    Als wir mit Onkel Aaron in Haifa eintrafen, erfuhren wir, dass Tante Irenas Sohn doch nicht hier war. Sie hatte die Geschichte erfunden, um ein Visum zu ergattern. Miriam und ich waren traurig, als wir begriffen, dass unser Lieblingscousin tatsächlich für immer

Weitere Kostenlose Bücher