Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt
of Auschwitz Nazi Deadly Lab Experiments Survivors (Kinder von Auschwitz, Überlebende tödlicher NS-Laborexperimente). Wir fanden einhundertzweiundzwanzig Überlebende in zehn Ländern und vier Kontinenten. CANDLES half als Selbsthilfegruppe vielen Zwillingen, mit einigen speziellen Dingen fertig zu werden, die uns alle als Überlebende von Mengeles Experimenten betrafen.
Im Laufe der Zeit hatte Miriam immer mehr Probleme mit ihren Nieren. Wir wussten, dass das etwas mit den Injektionen zu tun hatte, die man ihr in Auschwitz verabreicht hatte, aber wir fanden nie heraus, was es gewesen war, das ihre Nieren nicht größer werden ließ als die eines zehnjährigen Kindes. 1987 versagten die Nieren. Ich spendete ihr meine eigene linke Niere, wodurch sie bis zum 6. Juni 1993 weiterleben konnte. Wir fanden tatsächlich nie heraus, was man ihr und uns allen injiziert hatte. Ich bin immer noch auf der Suche und hoffe, an diese Information heranzukommen.
Miriams Tod warf mich völlig aus der Bahn. Ich wusste, ich musste zur Erinnerung an sie ein Zeichen setzen. Darum gründete ich 1995 das CANDLES Holocaust-Museum und Bildungszentrum in Terre Haute, Indiana. Mehr als fünfzigtausend Menschen haben das Museum besucht, seit wir seine Pforten öffneten, die meisten von ihnen junge Leute.
1993 reiste ich nach Deutschland und traf mich mit einem NS-Arzt aus Auschwitz, Dr. Münch. Überraschenderweise war er sehr freundlich zu mir. Und was noch überraschender war: Ich stellte fest, dass ich ihn mochte. Ich fragte ihn, ob er irgendetwas über die Gaskammern in Auschwitz wisse. Er sagte, was er wisse, habe seinen Albträumen fortwährend neue Nahrung gegeben, mit denen er Tag für Tag lebe. Danach schilderte er, was er wusste: »Den Menschen wurde gesagt, sie würden duschen gehen, sie sollten sich die Nummer ihres Kleiderhakens merken und ihre Schuhe zusammenbinden. Wenn die Gaskammer komplett voll war, wurden die Türen hermetisch abgeriegelt und luftdicht verschlossen. In der Decke öffnete sich ein Durchlass, der an eine Lüftungsklappe erinnerte, und ein kiesähnliches Granulat wurde hinuntergeworfen. Dieses Granulat funktionierte in gewisser Weise wie Trockeneis und verwandelte sich in Gas. Das Gas begann vom Boden aufzusteigen. Die Menschen versuchten, dem aufsteigenden Gas zu entkommen, und kletterten übereinander. Die Stärksten landeten oben auf einem Berg von ineinander verknäulten Körpern. In dem Moment, in dem sich die Menschen oben auf dem Berg nicht mehr bewegten – ich schaute durch ein Guckloch und beobachtete das Ganze –, wusste ich, dass alle tot waren.« Dr. Münch unterzeichnete die Sammeltotenscheine; es standen keine Namen darauf, nur, dass es zweitausend oder dreitausend Tote gab.
Ich sagte Dr. Münch, dies seien sehr wichtige Informationen, denn ich hatte nicht gewusst, dass die Gaskammern in dieser Weise funktionierten. Ich fragte ihn, ob er 1995 mit mir nach Auschwitz gehen werde, wenn wir den fünfzigsten Jahrestag unserer Befreiung aus dem Lager feierten. Ich forderte ihn außerdem auf, eine eidesstattliche Erklärung zu unterzeichnen zu dem, was er gesagt und gesehen und getan hatte, und dies an der Stätte all jener Morde zu tun. Er sagte, er werde dies sehr gerne tun.
Ich kehrte also aus Deutschland zurück und war außerordentlich froh, dass ich ein Originaldokument haben würde, von einem Nazi beglaubigt und unterzeichnet – einem Täter, weder einem Überlebenden noch einem Befreier –, das ich der Sammlung historischen Wissens hinzufügen konnte, die wir für uns selbst und für künftige Generationen angelegt hatten. Ich war so dankbar, weil Dr. Münch bereit war, mit mir nach Auschwitz zu kommen und das Dokument über die Funktionsweise der Gaskammern zu unterzeichnen, dass ich mich ihm gegenüber erkenntlich zeigen wollte. Aber was schenkt man einem NS-Arzt? Wie kann man sich bei einem NS-Arzt bedanken?
Zehn Monate lang grübelte ich über diese Frage nach. Tausenderlei Ideen gingen mir durch den Kopf, bis ich schließlich dachte: Was ist mit einem schlichten Vergebungsschreiben an ihn? Eines, in dem ich ihm alles vergebe, was er getan hat? Ich wusste sofort, er würde es sehr schätzen, doch was ich dann entdeckte, als ich die Entscheidung gefällt hatte, war dies: Vergebung dient nicht so sehr dem Täter als vielmehr dem Opfer. Es lag in meiner Macht, zu vergeben. Niemand konnte mir diese Macht verleihen, niemand konnte sie mir nehmen. Eben dies erzeugte in mir ein Gefühl der
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