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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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alten
Leuten?«
    »Die sind die Stärksten
von allen, denn sie haben länger gelebt als wir, und sie sind weise«, sagte er
und tippte sich gegen die Schläfe.
    Am Rand des Waldes
blieben wir stehen.
    »Geht Aminata allein
auch so weit weg?«, fragte er.
    »Nie«, sagte ich.
    »Wo geht es zum
mächtigen Joliba, dem Fluss der vielen Kanus?«
    »Da entlang«, sagte ich
und deutete nach Norden.
    »Und wie weit ist es?«
    »Zu Fuß vier Sonnen«,
sagte ich.
    »Würdest du gerne
einmal die Stadt Ségou sehen?«, fragte er.
    »Ségou am Joliba?«,
fragte ich. »Ja. Wenn ich auf deinen Schultern reiten darf.«
    »Wenn du alt genug
bist, vier Sonnen lang zu gehen, werde ich mit dir hinwandern.«
    »Und ich werde reisen
und meinen Geist verfeinern«, sagte ich.
    »Davon ist nicht die
Rede«, sagte er. »Deine Aufgabe ist es, eine Frau zu werden.«
    Papa hatte mir bereits
beigebracht, ein paar Gebete auf Arabisch zu schreiben. Bestimmt würde er mir
noch mehr zeigen. Alles zu seiner Zeit.
    »Mamas Dorf liegt da
drüben, fünf Sonnen entfernt«, sagte ich und deutete nach Osten.
    »Da du so schlau bist,
tu jetzt mal so, als wäre ich blind, und zeig mir den Weg nach Hause.«
    »Verfeinern wir damit
meinen Geist?«
    Er lachte. »Zeig mir
den Weg nach Hause, Aminata.«
    »Geh da entlang, an dem
Affenbrotbaum vorbei.«
    So weit kamen wir
leicht. »Und jetzt dort lang, nimm den Weg dort. Aber pass auf, Mama hat da
gestern drei weiße Skorpione gesehen.«
    »Braves Mädchen, und
jetzt?«
    »Weiter geradeaus, wir
kommen in unser Dorf. Die Mauern sind so dick und so hoch wie zwei Männer.
Jetzt gehen wir hinein. Begrüße den Wachposten.«
    Papa lachte und winkte
dem Posten zu. Wir kamen am rechteckigen Haus des Häuptlings und den vier
runden Hütten seiner Frauen vorbei.
    »Sag mir, wenn wir bei
Fantas Hütte sind.«
    »Warum, Papa?«
    »Vielleicht sollten wir
hineingehen und auf deinem Lieblingseimer trommeln.«
    Ich lachte und schlug
ihm spielerisch auf die Schulter. Flüsternd sagte ich ihm, dass ich die Frau
nicht mochte.
    »Du musst Respekt
lernen«, sagte Papa.
    »Aber ich respektiere
sie nicht«, sagte ich.
    Papa blieb einen Moment
lang stehen und klopfte mir aufs Bein. »Dann musst du lernen, deinen fehlenden
Respekt zu verbergen.«
    Papa ging weiter, und
kurz darauf kamen uns zwei Frauen entgegen.
    »Mamadu Diallo«, rief
eine meinem Papa zu, »das ist nicht die Art, deine Tochter zu erziehen. Sie hat
Beine, um zu gehen.«
    Der richtige Name
meines Vaters war Mohammed, aber alle muslimischen Männer im Dorf hießen so,
also nannte er sich Mamadu, um sich von ihnen zu unterscheiden.
    »Aminata und ich haben
einen kleinen Schwatz gehalten«, erklärte mein Vater den Frauen, »und da
brauchte ich ihre Ohren nahe bei meinem Mund.«
    Die Frauen lachten. »Du
verwöhnst sie.«
    »Keinesfalls. Ich
bringe ihr bei, mich so zu tragen, wenn ich einmal alt bin.«
    Die Frauen krümmten
sich vor Lachen und schlugen sich auf die Schenkel. Wir verabschiedeten uns,
und ich dirigierte Papa am abgeschirmten Badeplatz vorbei, vorbei auch an der
im Schatten stehenden Bank fürs Palavern und den runden Hütten, in denen Hirse
und Reis gelagert wurden. Und dann trafen Papa und ich Fanta, die Fomba am Ohr
hinter sich herzog.
    »Dummer Kerl«, sagte
sie.
    »Hallo, vierte Frau des
Häuptlings«, sagte Papa.
    »Mamadu Diallo«, sagte
sie.
    »Hast du heute keinen
Gruß für mein kleines Mädchen?«, fragte Papa.
    Fanta zog eine Grimasse
und sagte: »Aminata Diallo.«
    »Und warum ziehst du
den armen Fomba so hinter dir her?«, sagte Papa. Sie hatte den Mann immer noch
am Ohr.
    »Er hat einen Esel zum
Brunnen geführt, und der ist reingefallen«, sagte sie. »Setz das verwöhnte
Mädchen ab, Mamadu Diallo, und hilf uns, den Esel da wieder herauszuholen,
bevor er uns das Trinkwasser verdirbt.«
    »Wenn du Fomba
loslässt, helfe ich dir mit dem Esel.«
    Papa holte mich von
seinen Schultern herunter, und Fomba und ich sahen zu, wie er und einige andere
Männer Ranken an einen Jungen banden und ihn tief in den Brunnen
hinunterließen. Der Junge band noch mehr Ranken um den Esel und wurde wieder hochgezogen.
Dann hievten Papa und die Männer den Esel aus dem Brunnen. Das Tier schien
unberührt von der Sache und war alles in allem in besserem Zustand als Fombas
Ohr.
    Ich wollte, dass Papa
mir zeigte, wie man Ranken um den Bauch eines Esels band. Vielleicht würde er
mir alles beibringen, was er wusste. Es würde niemandem wehtun, wenn ich Lesen
und Schreiben

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