Ich habe einen Namen: Roman
Kalebasse Wasser aus einem Tonkrug schöpfte, ohne einen Tropfen zu
vergießen. Bestimmt würde ich mich bald schon von diesen bösen Geistern
befreien können, würde meinen Papa finden, und wir würden zurück zu Mama
laufen, sie aufwecken, bevor es zu spät war, und sie hinter die kühlen Mauern
unseres Zuhauses tragen.
Aber ich wachte nicht
auf.
Ein endlos langer
Schrei drang aus meiner Lunge, und die Männer stopften mir einen Lappen in den
Mund. Wann immer ich langsamer wurde, stießen sie mich in den Rücken. Wir gingen
so schnell, dass ich Schwierigkeiten hatte, Luft zu bekommen. Sie zogen mir den
Lappen wieder aus dem Mund, machten mir aber mit wütenden Gesten klar, dass sie
ihn gleich wieder hineinstecken würden, wenn ich auch nur einen Ton von mir
gab. Immer weiter gingen wir, weiter weg von meiner Mama. Rauch hing in der
Luft. Wir umkreisten unser Dorf. Die Trommeln von Bayo schlugen Alarm, und ich
hörte Krachen, wieder und wieder, als brächen schwere Äste von Bäumen. Dann
hörte das Trommeln auf, und durch eine Lücke zwischen den Bäumen konnte ich
Flammen sehen. Bayo brannte.
Fünf weitere starke
Männer stießen zu uns. Sie brachten drei Gefangene mit, die ebenfalls
aneinander gefesselt waren. Im Mondlicht erkannte ich meinen Vater an seinem
breitbeinigen Gang.
»Fa«, rief ich.
»Aminata«, antwortete
er.
»Sie haben Ba
umgebracht.« Der Mann, der meine Leine hielt, schlug mir ins Gesicht.
»Du bist weniger wert
als Stachelschweinscheiße«, zischte ich ihn an. Er verstand mich nicht.
Ich sah zu meinem Vater
hinüber. Die beiden anderen Gefangenen kämpften gegen ihre Leinen an, aber mein
Vater ging aufrecht. Er rieb die Hände gegeneinander, bis er sie freibekam,
stieß einem der Männer die Finger in die Augen, entwand ihm das Messer und
schnitt die Schlinge um seinen Hals durch. Ein anderer sah das und ging auf ihn
los. Papa stieß ihm das Messer tief in die Brust. Der Mann schien zu seufzen,
stand gerade noch lange genug, dass mein Vater das Messer wieder herausziehen
konnte, und fiel tot um.
Ich wollte, dass mein
Fa floh und Ba auf der anderen Seite von Bayo suchte. Wenn sie noch Leben in
sich hatte, sollte er sie retten. Während die Männer zu rufen begannen, kam
Papa auf mich zugerannt. Er stach auf den Mann ein, der meine Schlinge hielt
und traf ihn tief in den Arm. Der Mann sackte in sich zusammen und stöhnte vor
Schmerz. Zwei Männer stürzten sich auf meinen Vater, aber er schüttelte sie ab.
Einen stach er nieder, dann den anderen und umkreiste die drei Verwundeten. Da
hob einer der Angreifer einen ungewöhnlichen, langen, geraden Stock. Er bleckte
die Zähne und richtete ihn aus fünf Schritt Entfernung auf meinen Vater. Papa
blieb im Lauf stehen und hob eine Hand. Feuer explodierte aus dem Stock und
warf meinen Vater auf den Rücken. Er drehte sich, um nach mir zu sehen, aber schon
erloschen seine Augen. Das Leben strömte aus Papas Brust und rann ihm über die
Rippen in die wartende Erde, die alles in sich aufsaugte, das aus ihm kam.
Die beiden anderen
männlichen Gefangenen kannte ich nicht. Vielleicht kamen sie aus anderen
Dörfern. Ich sah sie bittend an. Sie senkten die Blicke. Auch Fomba ließ den
Kopf hängen. Die drei konnten nichts für mich tun. Ihre Hände waren gefesselt,
und sie waren mit Holzstangen an den Hälsen zusammengebunden. Sich aufzulehnen,
war Selbstmord, und wer würde jetzt, wo mein Vater und meine Mutter nicht mehr
waren, noch für mich kämpfen und sein Leben für mich geben?
Meine Füße wollten sich
nicht weiterbewegen. Meine Beine fühlten sich an wie aus Holz. Der Magen
drückte mir gegen die Brust. Ich konnte kaum atmen. Fa war der stärkste Mann in
Bayo gewesen. Mit einem Arm hatte er mich hochheben können, und die Funken
flogen wie Sterne, wenn er das rotglühende Eisen mit dem Hammer bearbeitete.
Wie konnte alles nur so gekommen sein? Ich betete, dass ich nur träumte, aber
der Traum wollte nicht aufhören.
Ich fragte mich, was Ba
und Fa mir jetzt raten würden. Geh weiter! Etwas anderes konnte ich mir nicht
vorstellen. Fall nicht hin . Ich sah Mama mit ihren rotgefärbten
Fußsohlen durch Bayo laufen und versuchte, ihre Stimmen in meinem Kopf
aufzubewahren, rief mir das Bild in Erinnerung, wie wir abends zusammen
Pfefferminztee tranken, wie meine Mutter lachte und mein Vater melodiöse
Geschichten erzählte. Aber ich hatte kein Futter für diese Bilder. Sie
verhungerten, fielen in sich zusammen und wurden mir aus dem Kopf
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