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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Messner
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dem klatschnassen und schmierig-schmutzigen Boden.
    Unter mir im Stockbett - immerhin schlafen hier nur jeweils zwei Pilger übereinander - in einer Herberge hat schon ein Dreidecker für viel Erheiterung gesorgt - liegt eine Neuseeländerin. Ich stelle mich ihr gut gelaunt als ihr „Bettpartner“ für die Nacht vor, was sie mit versteinerter Miene und Stirnrunzeln quittiert. Erst als ich der holländischen Leonie im Nebenbett mitteile, dass sie heute leider Pech hat, und ich schon vergeben bin, taut das Minenspiel der Neuseeländerin etwas auf. Um das Maß voll zu machen werfe ich Martin - ein Bett weiter - noch eine gehauchte Kusshand zu und die Pilgerin vom anderen Ende der Welt kann sogar ein bisschen lächeln. Ohne Humor kann man dieses Schlafsaaldasein doch gar nicht richtig genießen,finde ich. Mal sehen, was die Nacht bringt, und was es noch zum Abendessen gibt. Ich mag jetzt keine Fritten mehr, die gibt es fast jedes Mal.
    Martin gibt am Nachmittag in der Herberge einen Fußmassagekurs. 25 fast ausschließlich weibliche Interessierte lassen sich von ihm, dem langjährigen Massagetherapeuten, in der Küche die Geheimnisse der schwedischen Massage zwischen großem Zeh und Achillesferse zeigen. Auf dem Küchentisch liegt die glückliche Testpilgerin und genießt. An ihren Füßen knetet und drückt, zieht und reibt Martin so lange herum, bis alle die professionelle Massage gesehen haben. Er erklärt alles in englisch und französisch, René übersetzt ins Spanische. Eine Übersetzung in Deutsch ist nicht nötig. Martin erntet für die Vorführung auf dem Esstisch eine Menge Applaus und das Erlernte wird gleich paarweise angewandt.
    Eine lustig anzusehende Ansammlung von halb abgeschnittenen grünen und durchsichtigen Plastikflaschen entlang der Häuserwände in diesem Dorf gibt uns wieder einmal die Möglichkeit, über das Thema „Glauben“ zu philosophieren. Die Flaschen stehen rund um die Häuser, dicht an der Wand, auf dem Boden und sind halb mit Wasser gefüllt. Wozu, wofür oder wogegen? Wir machen eine Umfrage. Soll das mittels Verdunstung kühlen, die eh schon schwüle Luft anfeuchten oder gar gegen Fliegen wirken? Die meisten Pilger hier glauben wohl nicht mehr an den Weihnachtsmann, wohl aber an anderewundersame Erlebnisse. Spirituelle Wellness ist im Trend. Gibt es Geister, auch heilige? Ja, gibt es Gott!? Es stört beim menschlichen Wunderglauben ja kaum jemanden, dass es keine Beweise für die Existenz von Geistwesen gibt, und dass keiner sie je nachweisbar gesehen hat. Das heißt im Umkehrschluss natürlich auch, dass es keinen Beweis für ihre Nichtexistenz gibt. Das gilt dann aber auch für neongelbe Elefanten aus Tibet. Ich glaube daran, dass es sie gibt und doch hat keiner sie je gesehen. Womit wir wieder bei den obskuren Wasserflaschen wären: Ich denke, sie stehen da an der Hauswand, um die tibetischen Neon-Elefanten fernzuhalten. Und es funktioniert! Weit und breit ist keiner zu sehen. Apropos Tibet: Die andere Seite spiritueller überzeugungen ist dann das Nichtglauben. Meine chinesische Schwägerin beispielsweise weigert sich in Deutschland hartnäckig, dem Glauben anzuhängen, dass der Dalai Lama ein netter Mensch wäre - und kein dollarfinanzierter Konterrevolutionär. Wer´s glaubt.
    Beim Abendessen sitze ich mit einem ungleichen deutschen Pilgerpärchen zusammen. Die Dame mittleren Alters hat regelrecht Haare auf den Zähnen und würgt mit rostiger Stimme jedes humorige Gespräch ab, indem sie kategorisch verbissen erklärt, schon mal auf dem Jakobsweg gewesen zu sein - und es daher generell besser zu wissen. Nach ein paar Minuten ist dann ob unterschwellig wachsender Aggressionen das mitdem Unterhalten ein bisschen zäh geworden. So weiß sie zum Beispiel ganz genau, dass es in Spanien keinerlei separatistische Bewegungen gibt, und dass alle Spanier gern und viel hochspanisch sprechen. Aha. Ihr männlicher Mitpilger ist eine Camino-Bekanntschaft, sie kommandiert ihn aber herum, als sei er ihr langjähriger Ehemann. Der Ruhrpottler sagt zu allem Ja und Amen und ist offensichtlich froh, dass ihm jemand sagt, wie und wo es eigentlich langgeht. Genau ist sein Abhängigkeitsverhältnis aber weder zu ergründen noch zu erklären.
    Nach einem dann doch noch sehr lustigen Abend mit Cillian und dem französischstämmigen René auf der Mini-Plaza und nach ein paar Bierchen gegen die Hitze bin ich als letzter kurz vor Zapfenstreich im Bett meines Schlafsaales.
    Die Geräusche der Nacht im

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