Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Pilgerrastplätzen und potenziellen Pinkelstellen entlang des Caminos liegen ekelerregende Anhäufungen von Kot und Papiertuchresten, stinkt es schon von weitem nach Urin. Ausreichend Regen als natürliche regelmäßige Reinigung fehlt nun mal in vielen Gegenden. Pilgern ist schmuddelig .
Und siehe, ein Aussätziger kam und betete ihn an und sprach: HERR, so du willst, kannst du mich wohl reinigen. Matthäus 8.2
21. Tag von Ledigos nach Sahagun
Heute gehe ich um sieben Uhr los und lasse mir erstmal viel Zeit. Erneut ist es ein eisiger Morgen knapp über dem Gefrierpunkt. Vielleicht ein Tick milder als gestern. Aber wieder sind lange Hose,Jacke und Kopftuch über den Ohren angesagt. Ein toller Sonnenaufgang sorgt für schöne Fotos mit Langzeitbelichtung und Selbstauslöser.
Gegen zehn Uhr wird es dann wärmer - bei strahlend blauem Himmel. Die unruhige Nacht rund um die Bettkäfer steckt mir noch ein bisschen in den Knochen und der Sonnenschein tut richtig gut.
In Moratinos liegt pünktlich zur Frühstückszeit links am Ortseingang ein nagelneues Gebäude. Hier gibt es Frühstück - und zwar richtiges! Der auf den ersten Blick qualitativ hochwertige Bau entpuppt sich als eine deutsch geführte Herberge, frisch eröffnet - die Bar liefert seit vier Tagen deutsches Frühstück! Wunderbar. Alles sauber und wertig wie in einer Jugendherberge. Die Betreiber sind Deutsche aus dem Schwabenländle.
Während ich mir das Frühstück schmecken lasse, treffen auch Leonie und Dorothy ein. Ausdrücklich erst nach ihrem Wohlfühlfrühstück erzähle ich ihnen vom Bettwanzenalarm in der vergangenen Nacht. Ich hatte noch nachts natürlich darüber nachgedacht, die Guten im Schlafsaal zu warnen, aber das hätte ja nur ein heilloses Durcheinander mitten in der Nacht gegeben. Nach meiner vertraulichen Information am Esstisch stürmen sie wie angepiekst aus dem Gebäude und schütteln angewidert ihren ganzen Rucksackinhalt aus. Ob´s hilft? Immerhin haben sie noch keine Stiche festgestellt. Zudem kann ich die Damen auch wegen möglicher ernsterer Folgen beruhigen. Ichhabe inzwischen die Viecher gegoogelt und rausgefunden, dass sie in aller Regel keine ansteckenden Krankheiten übertragen. Immerhin.
Unterwegs erzählt mir die sehr belesene Dorothy von ihrer Idee, aus ihrem Camino auch beruflichen Nutzen zu ziehen. Die Theaterautorin fühlt sich von vielen grotesken Situationen hier inspiriert, ein absurdes Theaterstück zu schreiben. In Großbritannien sei der Jakobsweg bei weitem nicht so bekannt, wie in anderen Ländern, schätzt sie. Dass man sich freiwillig mit anderen Menschen in schmutzige Schlafsaalbetten legt, dürfte wohl eine der Situationen sein, die sie prima in absurdes Theater verwandeln könnte.
Auf dem Weg nehmen wir Abschied von Cillian: Er geht heute näher an Leon ran als wir, und will dort seinen Camino für dieses Jahr beenden. Der unverwüstliche Ire grinst bei der Bettwanzenstory und zeigt sein rechtes Bein mit acht Stichen in Reihe und einen großen Zeh mit fünf Treffern. Die Damen sind schockiert. Diesem Ungeziefer-Massaker hat er in einer sehr speziellen Herberge in St. Anton beigewohnt. In einer Klosterruine eingerichtet, ist das Ambiente sicher reizvoll, dass es hier aber weder Strom noch warmes Wasser gibt, dürfte den Möglichkeiten regelmäßiger Reinigungen zumindest ein wenig entgegenstehen.
Als Cillian morgens wach wird, erlebt er zudem eine weitere Invasion ungebetener Gäste, die derBettwanze kaum nachstehen: Ein Bus französischer Touristen steht bereit, als die Herberge ihre Pforten öffnet. Sie dringen in den Schlafraum und sogar in den Waschraum ein und machen Fotos von den verschlafenen Pilgern - in den Betten und am Waschbecken! Diese Geschichte macht uns wirklich fassungslos. „Und keiner hat seinen Stock gegriffen und die Herrschaften rausgetrieben?“, frage ich ungläubig. Cillian grinst nur unter seinem Rotschopf hervor und vermutet, dass er wohl inzwischen ein unfreiwilliger Youtube-Star sein dürfte…
Nächsten März will der Ire seinen Camino ab Leon vollenden und bis nach Santiago wandern. Auf meinen Hinweis, dass es im März in Galicien noch kalt und nass sein könnte, hat er eine überzeugende Antwort. „Wenn ich in Irland wandere, regnet es immer. Immer.“, stellt er trocken fest. Vielleicht sehen wir uns mal in Dublin, wo er als Barmann arbeitet…
Den Weg gehe ich heute teilweise mit Leonie und Dorothy zusammen. Martin hält weiterhin an seinen morgendlichen
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