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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Messner
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schlimmer. Meinen Rat, diese Schuhe schnell wegzuschmeißen und es erstmal bis Leon in Sandalen oder in neuen Sport- oder Halbschuhen zu versuchen, hat sie überrascht und hoffnungsvoll angenommen. Meine Mutmaßung, dass ihre Füße und ihre Schuhe ganz offensichtlich nicht zusammenpassen, findet sie überzeugend.
    Martin ist um 6.30 Uhr und ich bin erst im Sonnenaufgangslicht nach 7.15 Uhr losgegangen. Erst hier in der Herberge haben wir uns abends wiedergesehen, zumal ich heute nach dem gestrigen Fastmarathon tüchtig getrödelt habe. Die Gräten sind ein bisschen lahm.
    In der Mittagspause mit Rührei-Schinken-Baguette (Boccadillo de Tortilla Jamon) ist René, das französische Sprachtalent, wieder aufgetaucht. Er freut sich wie ein Schneekönig und verkündet grinsend, dass er diese Nacht mit niemandem irgendetwas teilen werde. Er setzt sich zu uns und erzählt mit dem Gesichtsausdruck eines satten Babys, dass er ein Hostalzimmer mit eigenem Bad genommen hat. Er hat die Schlafsäle satt bis Oberkante Unterlippe. Wir wollen noch ein Nest weiterwandern bis zur nächsten Herberge. Als er das hört, zieht er die Stirn in Falten: „Seid vorsichtig, in der nächsten Herberge soll es Bettkäfer geben.“ Er hat gehört, dass es da ein Problem geben soll. Solche Caminogerüchte gibt es natürlich immer wieder und wir nehmen es nicht so ernst. Man weiß ja nie, woher diese angebliche Information denn kommt. Ist es wahr, oder tobt sich nur ein rachsüchtiger Pilger oder Besitzer einer Konkurrenzherberge aus?
    Heute ist der bisher kälteste Tag meines Caminos. Eisige Temperaturen am Morgen und strahlend sonnige 18 am Nachmittag sind nur in der Sonne wirklich mild. Ich passe auf, mich nicht zuerkälten und habe während der ersten Kilometer mein Halstuch als Kapuze über den Kopf gezogen. Jacke, lange Hose, Tuch über den Ohren - das ist jetzt aber auch das Maximum, das ich an Klamotten dabeihabe.
    Die alten Häuser dieser Region hier sind interessanterweise aus Lehmziegeln und mit Lehmverputz gebaut - der Grund ist Steinmangel und das Erbe der mittelalterlichen arabischen Besatzung. Lehm ist ja ein auch heute gern wieder genutzter Öko-Baustoff. Das Problem jedes Lehmbaus sind allerdings Feuchtigkeit und Regen. Die kleinen Häuschen und Mauern der alten Gehöfte lösen sich sichtbar auf, wenn sie nicht mit viel Aufwand erhalten werden. Die offenen Lehmoberflächen sind rund- und ausgewaschen. Ungeschützt schmelzen die Lehmbauten in Regen und Wind offensichtlich wie ein Iglu im Frühjahr.
    Hier in unserer privaten Herberge bewohne ich heute Nacht mein vermutlich preiswertestes Einzelzimmer des Camino: elf Euro. Auffallend günstig. Der Schlafsaal kostet sieben! Ein Bett mit frischer Bettwäsche, ein Campingstuhl und sechs Quadratmeter für mich sind in den elf Euro inklusive.
    In der Herberge ist wieder einmal die schnippische Ruhrpöttlerin mit der rostigen Stimme und ihrem nickenden Gefolgsmann aufgetaucht. Ihr nervendes, dominantes Auftreten ihm und allen anderen gegenüber ist inzwischen allgemeinbekannt. Sie plant seinen Camino, und er, Marke Softie, lässt sich rumkommandieren. Sie weiß alles über Spanien und den Camino, denn sie war schon mal hier… Natürlich raucht sie auch noch, um ihre Sympathiewerte noch weiter zu steigern - übrigens als eine der ganz wenigen unter den Pilgern, wie mir auffällt.
    Abends hat Leonie wieder im Dorfladen eingekauft. Ich mime den Beikoch und schnibbele Gemüse, Zwiebeln, Knoblauch etc. Es gibt Spaghetti mit Tomatensauce und Salat mit Ei und Thunfisch. Zu sechst am Tisch, lassen wir es uns windgeschützt in der Sonne schmecken. Die einzige Gaststätte des Dorfes gehört zur Herberge. Hier zu essen steht allerdings nicht zur Debatte: An der Bar stehen ein paar Rednecks und rauchen direkt vor dem zugehörigen Verbotsschild fröhlich vor sich hin. Das dicke, stinkende Gas-Luftgemisch im Gastraum kann man schneiden. Dieses eklige Erlebnis bleibt für mich auf dem Camino einzigartig. Überall sonst halten sich die Spanier respekt- und rücksichtsvoll an das Rauchverbot in Gaststätten.
    Im schönen Innenhof der alten Finca klingt der Abend in frischer Luft gemütlich aus. Unsere Mitpilgerin mit der rostigen Stimme hat heute ihren letzten Abend auf dem Camino. Vor zwei Jahren bereits war sie das vor uns liegende Stück bis Santiago marschiert und für sie schließt sich morgen der Jakobsweg. Das Bedauern über ihrenAbgang von der Caminobühne hält sich allgemein in Grenzen. Was aber

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