Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Dunkelheitsmärschen fest. Auf den Alleinpassagen durch die Hügel und Felder, heute nur gut 16 Kilometer weit, suche auch ich nach einer neuen Herausforderung: Ich trainiere, meine Jacke unter dem Rucksack auszuziehen - und das im Gehen. Es klappt prima und ich muss nun nicht mehr anhalten und den Rucksack absetzen, um morgens die Jackeabzulegen. Bleibt jetzt noch die lange Hose. Aber da gibt es keine Chance: Für das Abzippen der langen Hosenbeine müsste ich wohl zeitweise auf den Händen gehen.
Heute geht es nach der Elf-Euro-Bettwanzennummer ohne weitere innere Diskussion ins Hotel mit eigenem Bad und Wifi für 30 Euro. Ich wasche alles heiß und lange - mich und die Klamotten. Pilgern ist reinigend .
Wie lange liegst du, Fauler? Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? Sprüche 6.9
22. Tag von Saragún nach El Burgo Ranero
Geplante gut 18 Kilometer waren Leonie und mir sowie einer Reihe anderer Pilger offensichtlich nicht genug. Also machen wir ein paar Extrameter. Wir sind wegen eines falschen Schildes nicht auf dem Camino, sondern auf dem Holzweg unterwegs. Der Wegweiser lotst uns an einer mit EU-Geldern aus Deutschland neu gebauten Kreuzung am Ortsausgang mit einem Fußpilger-Schild auf den Radler-Camino und wir dürfen vier Kilometer extra gehen. Mühsam kämpfen wir uns über ein abgeerntetes Feld zurück in die richtige Richtung. Ein paar neue Straßen und Anbindungen hatten die Caminobauer wohl verwirrt.
Die Schildervielfalt auf dem Weg vom gelben, gesprühten Pfeil über kunstvolle Mosaike bis zu Dutzenden verschiedenen Blechwegweisern, ist immer wieder interessant, aber eben auch irritierend. Die gelben Zeichen, die Muscheln oder stilisierten Pilgermännchen, aber auch der Schattenriss der Kathedrale von Santiago - alle diese Zeichen weisen uns den Weg. Manchmal fünf Hinweise auf zehn Metern, manchmal an drei Kreuzungen hintereinander kein einziger, oder ein verblasster, oder ein zugewachsener - oder ein gut versteckter. Oder eben diesmal sogar ein falscher Hinweis. Was sich der Schilderaufsteller dabei gedacht haben könnte? Wahrscheinlich mal wieder gar nichts.
Unabhängig davon wartet heute auch noch ein langweiliger und fieser Weg entlang der Straße auf uns, die Autobahn ist immer rechts von uns in Hörweite. Leonie ist seit gestern ordentlich erkältet und erschöpft, so dass sie ihr Gepäck vorgeschickt hat bis Reliegos, satte 31 Kilometer weit. Ich staune, denn so weit möchte ich heute nicht mal gesund latschen. Bis mittags in El Burgo wandern wir zusammen, dann geht sie weiter und ich ins gute 30 Euro-Hostal. Einzelzimmer mit Bad und großer Maschinenwäsche.
Gestern Abend in Sahagun haben wir zudem René wieder getroffen und Dorothy vorerst verabschiedet. Sie will mit einer Freundin, die aus England angeflogen kommt, für drei Tage mit demMietwagen Burgos und Leon erkunden und nebenbei ihre blasenübersäten Füße schonen. Die Pilgerpause hat sie auch bitter nötig. Ihre Blasen an den Zehen, gleich mehrere über-, unter- und nebeneinander, sehen aus wie gelblicher Badeschaum. In Leon wollen Dorothy, Leonie und ich uns Freitagabend um 17 Uhr vor der Kathedrale wiedertreffen. Bis dahin „Buon Camino!“
Heute ist ein deutscher Rad-Pilger aus Konstanz mit seinem kleinen Hund unterwegs. Das Tier sitzt auf dem Gepäckträger in einem Karnickel-Käfig. Lustig anzuschauen. Weiteres Gepäck hat der drahtige Mittsechziger nicht dabei. Das ist im Wohnmobil untergebracht, das seine Frau von Ort zu Ort fährt, wie er erzählt. Da treffen sie sich dann, um gemeinsam nachmittags weiterzufahren oder zu übernachten. Manche Etappe gehen er und sein Hund auch zu Fuß. Er hält mit dem Fahrrad öfter an, lässt das Tier ein Weilchen nebenher laufen, bis es genug hat, und dann geht es im Aussichtskäfig weiter. Gestartet war der Bayer von Zuhause mit einem guten Freund. Als der dann aber unterwegs krank wurde, überredete er seine holde Gattin am Telefon, den Wohnmobilpart zu übernehmen. Ich frage mich, was die Gute den ganzen Tag über macht, denn mit dem Fahrzeug hat sie die Tagesetappen in irgendwelche Minidörfer im Nirwana ja in kürzester Zeit erledigt. Dann muss sie auf den Göttergatten und seinen über alles geliebten Köterwarten. Das muss Liebe sein.
Pilger mit Tieren - zumeist Hunde neben ganz wenigen Pferden oder Eseln - sind weiter die absolute Ausnahme. Die meisten Herbergen lehnen die Aufnahme von Hunden auch generell ab. Rücksichtnahme auf die übrigen Pilger und natürlich
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