Ich habe mich verträumt
hätte, aber solche Feinheiten waren für die Familie, deren Vorfahren man bis zur Mayflower zurückverfolgen konnte, nicht relevant.
„Eigentlich wundere ich mich, dass du es ihnen nicht schon längst gesagt hast“, sagte Callahan.
Ich sah zu ihm hinüber. Er hielt die Lippen fest aufeinandergepresst. „Hör zu, Bursche, mach dir keine Sogen. Ich versuche nicht, irgendetwas zu verheimlichen. Ich will nur, dass sie dich zuerst kennenlernen und ein bisschen mögen. Wenn ich da reingehe und sage: ‚Hallo dies ist mein Freund, der vor Kurzem aus dem Gefängnis entlassen wurde‘, werden sie einen Riesenschreck bekommen. Wenn sie vorher schon feststellen konnten, was für ein toller Typ du bist, dann wird es nicht mehr so schlimm sein.“
„Wann willst du es ihnen denn sagen?“
„Bald“, antwortete ich. „Cal. Bitte. Im Moment habe ich den Kopf voll. Das Schuljahr ist fast zu Ende, ich habe noch nichts vom Personalausschuss gehört, eine Schwester heiratet, die andere will ihren Mann verlassen … Können wir dieses erste Kennenlernen nicht einfach hinter uns bringen, ohne meiner Familie dein Haftstrafenregister zu präsentieren? Bitte! Ich würde gern immer nur eine schwere Krise zur Zeit erleben. Ich verspreche, dass ich es ihnen bald sagen werde. Nur nicht heute Abend.“
„Es kommt mir unaufrichtig vor.“
„Das ist es nicht! Es ist nur … das vorübergehende Vorenthalten eines kleinen Details. Wir müssen doch nicht herumlaufen und dich als Callahan O’Shea, den Exknacki, vorstellen, oder?“
Er antwortete zunächst nicht. „Na schön, Grace“, sagte er dann, „wie du willst. Trotzdem fühlt es sich falsch an.“
Ich nahm seine Hand. „Danke.“ Nach einer Minute drückte er ebenfalls zu.
„Du bist mit der Hilfskraft zusammen? Du hast diesen netten Arzt hinausgeworfen, um mit der Hilfskraft zusammen zu sein?“ Mémé sah aus wie eine Frau, die gerade in eine Schlange gebissen hatte. Nein, eigentlich wie eine Schlange, die gerade in eine Schlange gebissen hatte. Sie rauschte ein Stück näherund streifte dabei ein Podest, sodass Hinein ins Licht (vermutlich ein Geburtskanal, tatsächlich sah es aber eher aus wie der Holland Tunnel) gefährlich zu wackeln begann. Ich hielt das Kunstwerk vorsichtshalber fest und sah auf meine missbilligende Großmutter hinab.
„Mémé, bitte hör auf, Callahan ‚die Hilfskraft‘ zu nennen, ja? Wir sind keine Großgrundbesitzer“, begann ich. „Und wie ich schon sagte …“ Ich atmete tief durch, um die nächste Lüge besser überstehen zu können. „… Wyatt war ein sehr netter Mann, aber wir passten einfach nicht zusammen. Okay? Okay.“
Margaret, die in der Nähe stand, hob eine Braue. Ich sehnte mich nach mehr Wein und versuchte sowohl sie als auch Mémé zu ignorieren, die schon wieder alle Iren als Diebe und Bettler beschimpfte.
Die Kunstgalerie Chimera war mit Körperteilen übersät. Offensichtlich war Mom nicht die einzige Künstlerin, die sich der menschlichen Anatomie widmete, und sie zeigte sich einigermaßen irritiert, dass noch ein weiterer Künstler ausstellte (Gelenke – Kugel-, Sattel- und Scharniergelenke, die jedoch nicht so gefragt waren wie Moms eher … äh … intime Stücke, von denen die meisten aussahen, als gehörten sie in einen Sexshop). Ich riss mich vom Anblick des Verlangens in Grün los (lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf) und stellte mich neben Callahan, der mit meinem Vater sprach.
„So, so, Sie sind also Schreiner?“, dröhnte Dad in seiner munteren Stimme, die er gern bei Handwerkern einsetzte– ein wenig zu laut mit gelegentlichen grammatikalischen Ausrutschern, um zu zeigen, dass auch er nur ein ganz gewöhnlicher Kerl war.
„Dad, du hast Cal doch angeheuert, damit er meine Fenster austauscht, erinnerst du dich? Dann weißt du doch schon, dass er Schreiner ist.“
„Experte für Restaurationen?“, schlug Dad hoffnungsvoll vor.
„Nein, eigentlich nicht“, antwortete Callahan freundlich und ging somit nicht auf Dads Versuch ein, ihm mehr Glanz zuverleihen. „Und eigentlich in nichts ein Experte. Einfach ein ganz normaler Schreiner.“
„Er leistet wunderbare Arbeit“, fügte ich hinzu. Cal sah mich stirnrunzelnd an.
„Was würde ich darum geben, wenn ich meine juristischen Bücher gegen einen Hammer eintauschen könnte!“, rief Dad. Ich schnaubte – soweit ich mich erinnern konnte, war es immer Mom gewesen, die im Haushalt irgendwelche Dinge repariert hatte. Dad konnte nicht mal ein Bild
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