Ich habe mich verträumt
aus der Ferne gekauft, und der Schlüssel sollte für ihn hinterlegt sein, doch das war er nicht. Er hat ihn gesucht – deshalb ist er gestern um das Haus herumgegangen.“ Er hielt einen Moment inne, dann fuhr er fort: „Wir haben ihn über Nacht hierbehalten, da wir erst heute Morgen eine Bestätigung für seine Aussagen erhielten. Vor etwa einer Stunde haben wir ihn entlassen.“
Ich schloss die Augen. „Geht es ihm gut?“
„Nun, es ist nichts gebrochen, aber er hat ein mächtiges Veilchen.“
„Du meine Güte!“ Was für eine tolle Art, sich mit dem Nachbarn anzufreunden! Plötzlich fiel mir noch etwas ein. „Officer Butch?“
„Ja?“
„Wenn er sich ausweisen konnte und alles … Warum haben Sie ihn dann festgehalten? Über Nacht? Das war doch eigentlich nicht nötig, oder?“
Officer Butch schwieg.
„Ich schätze, ohne triftigen Grund kann man heutzutage trotzdem eine Menge machen“, plapperte ich munter weiter. „Der Patriot Act, das Ende der bürgerlichen Rechte … Ich meine …“
„Wir nehmen Notrufe sehr ernst, Ma’am. Es hatte den Anschein, als wären Sie mit dem Mann in körperlichen Disput geraten. Wir hatten den Eindruck, dass wir das überprüfen sollten.“ Sein Ton klang missbilligend. „Ma’am.“
„Richtig. Natürlich, Officer. Tut mir leid. Danke für den Anruf.“
Durch das Esszimmerfenster spähte ich zum Nachbarhaus. Kein Lebenszeichen. Das war gut, denn obwohl ich mich auf jeden Fall entschuldigen musste, wurde ich bei der Vorstellung, meinen Nachbarn aufzusuchen, doch leicht nervös. Ich hatte ihn geschlagen. Meinetwegen hatte er die Nacht im Gefängnis verbracht. Nicht gerade eine Bestleistung von mir.
Also gut, ich musste mich entschuldigen. Ich würde dem armen Mann ein paar Brownies backen. Und nicht einfach irgendwelche Brownies, sondern meine abartig schokoladigen Schoko-Brownies, ein Heilmittel für jede Art der Verwundung an Leib und/oder Seele.
Ich beschloss, noch niemanden aus der Familie zurückzurufen. Sie würden denken, ich verbrächte die Zeit mit Wyatt, so wie ich die Zeit mit Julian verbracht hatte. Doch anstatt getrennter Wege zu gehen, wären Wyatt und ich noch ins Kino gegangen. Genau. Wir hatten einen Film gesehen, wären dann nach Hause zurückgekehrt und jetzt … im Bett. Danach würden wir noch etwas essen gehen. Was alles in allem eine wunderbare Art war, den Samstagnachmittag zu verbringen, wie ich fand.
„Komm mit, Angus, mein Junge“, forderte ich meinen Hund auf. Er folgte mir in die Küche, ließ sich zu Boden fallen, rollte sich auf den Rücken und beobachtete von dort aus, wie ich die Zutaten für die Brownies zusammensuchte. Schokolade von Ghirardelli – nur das Beste für den Mann, den ich ins Gefängnis gebracht hatte –, ein Pfund Butter, sechs Eier. Ich schmolz, rührte, mischte und stellte die Küchenuhr. Verbrachte dreißig Minuten am Computer, um meine E-Mails zu lesen und Eltern zu antworten, die gegen die Noten ihrer Kinder protestierten und wissen wollten, was ihre kleinen Wunderkinder tun müssten, um bei mir eine Eins zu bekommen. „Besser lernen?“, schlug ich meinem Rechner vor. „Mehr nachdenken?“ Stattdessen tippte ich politisch korrekte Antworten und schickte sie ab.
Als die Brownies fertig waren, nahm ich sie aus dem Ofen.Nach einem Blick zum Nachbarhaus entschied ich, dass ich noch ein wenig warten könnte. Schließlich musste ich noch Arbeiten korrigieren. Und das Badezimmer putzen. Außerdem mussten die Brownies erst abkühlen. Kein Grund, sich in überhasteter Eile der Realität zu stellen.
Irgendwann gegen acht wachte ich auf dem Sofa wieder auf, Suresh Onabis Aufsatz über die Unabhängigkeitserklärung auf dem Bauch. Auf meinem Oberkörper lag der schlafende Angus, eine halbe, zerkaute Seite des Aufsatzes im Maul. „Runter mit dir“, schalt ich, schob ihn auf den Boden und betrachtete das feuchte Papier. Mist. Mein Grundsatz lautete: Wenn mein Hund die Hausaufgabe fraß, musste ich davon ausgehen, dass der Schüler oder die Schülerin sie perfekt gemacht hatte.
Ich stand auf und warf einen prüfenden Blick aus dem Esszimmerfenster. Im Nachbarhaus brannte kein Licht. Ich merkte, dass mein Herz schneller klopfte und meine Handflächen feucht wurden. Letzte Nacht war nur ein unglückliches Missverständnis passiert, erinnerte ich mich. Bestimmt würden wir trotzdem wunderbar miteinander auskommen. Ich drapierte die Brownies auf einem hübschen Teller, wählte in der Küche eine Flasche Wein
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