Ich habe mich verträumt
meinst du?“
Julians Lächeln erstarb. „Grace. Du hast gerade Andrew beschrieben.“
Ich verschluckte mich an meinem Cappuccino. „Tatsächlich? Mist. Okay, streich alles. Er ist groß, dunkel und schön. Keine Brille. Und, äh … braune Augen.“ Angus bellte kurz auf, um meinen guten Geschmack bei Männern zu bestätigen.
„Ich sehe da diesen Kroaten aus Emergency Room vor mir“, sagte Julian.
„Ja, ich weiß, wen du meinst. Perfekt. Genauso sieht Wyatt aus.“ Wir lachten.
„Hey, kommt Kiki gleich noch dazu?“, wollte er wissen.
„Leider nein. Sie hat gestern Abend jemanden kennengelernt, und diesmal ist es bestimmt der Richtige.“ Julian sprach die letzten Worte mit mir im Chor. Es war Kikis Angewohnheit, sich Hals über Kopf zu verlieben. Sie war geradezu perfekt darin, den einen zu finden, was sehr häufig geschah, meistens mit katastrophalem Ausgang, weil sie nach einem begeisternden ersten Treffen den Mann mit übereiltem Gerede von „bis ans Ende aller Tage“ verschreckte. Falls sich die Geschichte wiederholte (was sie für gewöhnlich tat, wie ich als Geschichtslehrerin nur allzu gut wusste), würde sie nächstes Wochenende um diese Zeit am Boden zerstört sein, möglicherweise mit einer einstweiligen Verfügung am Hals.
Heute also ohne Kiki. Aber das war okay. Julian und ich liebten beide Antiquitäten und Secondhand-Klamotten – schließlich war ich Geschichtslehrerin, also war das nur verständlich. Er war schwul und Tanzlehrer, was gleichermaßen passte. Wir spazierten also durch die verschlungenen, ruhigen Gässchen von Peterston, schnupperten hie und da in einen Laden, inhalierten den vielversprechenden Duft des nahenden Frühlings, und ich war glücklich. Nach einem langen, öden Winter tat es gut, wieder draußen zu sein.
Peterston, Connecticut, ist eine kleine Stadt am Farmington River, die nur von Einheimischen und schlauen Touristen besucht wird, die gut im Kartenlesen sind. Einst berühmt dafür, mehr Pflugscharen herzustellen als jeder andere Ort auf Gottes grüner Erde, war die Stadt nach einer Phase der Vergessenheit und Verwahrlosung während der letzten zehn Jahre in neuem, ruppigem Charme erblüht. Die Hauptstraße führte direkt zum Fluss, wo sich ein Spazierpfad anschloss. Tatsächlich konnte ich von dort aus zu Fuß am Farmington entlang nach Hause gehen, was ich auch häufig tat. Mom und Dad wohnten fünfMeilen flussabwärts in Avon, und manchmal besuchte ich auch sie zu Fuß.
Ja, ich war heute Morgen sehr zufrieden. Ich liebte Julian, ich liebte Angus, der an seiner rot-violett geflochtenen Hundeleine auf kleinen Beinchen neben uns herlief. Und ich liebte die Vorstellung, dass meine Familie mich jetzt in einer Beziehung wähnte und ganz und gar über Andrew hinweg.
„Vielleicht sollte ich mir was Neues zum Anziehen gönnen“, überlegte ich laut, als wir an der Chic Boutique vorbeikamen. „Nun, da ich mit einem Arzt zusammen bin und so. Etwas, das keine andere trägt.“
„Absolut. Du wirst für all die Krankenhausveranstaltungen etwas Nettes brauchen“, fiel Julian sofort ein. Wir betraten den Laden und verließen ihn etwa eine Stunde später beladen mit Tüten.
„Ich liebe es, mit Wyatt Dunn zusammen zu sein“, schwärmte ich und grinste. „Vielleicht sollte ich eine Rundumverschönerung erwägen. Friseur, Maniküre, Pediküre … Oh Gott, das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht! Was meinst du? Willst du mitkommen?“
„Grace.“ Julian hielt inne. Er atmete tief durch, nickte einem Passanten zu und fuhr fort. „Grace, vielleicht sollten wir …“
„Lieber essen gehen?“, schlug ich vor und streichelte Angus, der an der Tüte mit meinen neuen Schuhen leckte.
Julian lächelte. „Nein, ich dachte eher, dass wir vielleicht versuchen sollten, jemand Echtes zu finden. Zwei echte Jemande. Du weißt schon. Vielleicht sollten wir aufhören, so viel zusammen zu unternehmen, und lieber Ausschau nach anderen halten.“
Ich schwieg. Julian seufzte. „Weißt du, ich glaube, ich bin allmählich bereit dafür. Und dass du diesen falschen Freund erfindest, ist ja ganz lustig, aber … vielleicht ist es langsam Zeit für was Reales.“
„Richtig.“ Ich nickte bedächtig. Der Gedanke an eine echte Verabredung verursachte mir einen leichten Schweißausbruch. Es war nicht so, dass ich keine Liebe, Heirat, Ehe und so weiterwollte … Ich verabscheute nur die Vorstellung von all dem, das man vorher dafür tun musste.
„Wenn du es machst, mache ich es
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