Ich habe mich verträumt
bisschen … na ja, eifersüchtig war vielleicht nicht das richtige Wort, aber mir schien, als hätte diese Frau einen unfairen Vorteil, was Beziehungen betraf. Alle sahen sie an und dachten: Wow, was für eine tapfere Frau! Ist sie nicht großartig ? Und was war mit mir? Was war mit den Frauen auf zwei Beinen, hm? Wie sollten wir damit bloß konkurrieren?
„Okay, Grace“, schalt ich mich laut, „jetzt gehst du zu weit. Wir werden dir einen Freund suchen und dann ist gut, ja? Angus, weg da, du Lümmel, Mommy muss mit all dem Zeug auf den Dachboden steigen, sonst hast du das im Nu wieder durchgekaut, oder etwa nicht? Denn manchmal bist du wirklich ein böser, böser Junge, hm? Streite es nicht ab. Das ist meine Zahnbürste, die du da im Maul hast. Ich bin schließlich nicht blind, junger Mann!“
Ich zerrte den Müllsack mit meinen ausgemusterten Klamotten den Flur entlang bis zur Treppe, die auf den Dachboden führte. Mist, das Licht war kaputt, und ich hatte keineLust, noch mal nach unten zu gehen und eine neue Glühlampe zu holen. Gut, ich würde das Zeug ja ohnehin nur zwischenlagern, bis ich zur Müllhalde fahren konnte.
Als ich die schmale Treppe hinaufging, nahm ich den intensiven Geruch von Zedernholz wahr. Wie so viele viktorianische Häuser hatte auch meines ein vollwertiges Dachgeschoss mit drei Meter hohen Decken und Fenstern rundherum. Irgendwann, so stellte ich mir immer vor, würde ich hier isolieren und die Wände verkleiden und ein Spielzimmer für meine wunderbaren Kinder bauen. Mit Bücherregalen an allen Wänden und einer Malecke am großen Fenster, durch das die Sonne hereinschien. Hier könnte ein Tisch mit einer Modelleisenbahn stehen und dort ein Schminktisch mit Kleiderständer zum Verkleiden. Im Moment lagerten hier nur alte Möbel, einige Kisten mit Weihnachtsdekoration und meine Bürgerkriegsuniformen und -gewehre. Ach ja, und mein Brautkleid.
Was macht man mit einem nie getragenen, nur für einen selbst maßgeschneiderten Braukleid? Ich konnte es doch nicht einfach wegwerfen, oder? Immerhin hatte es viel Geld gekostet. Gut, wenn ich eine lebensechte Version von Wyatt Dunn fände, würde ich vielleicht noch heiraten, aber würde ich dann das Kleid anziehen wollen, dass ich für die Hochzeit mit Andrew gekauft hatte? Nein, sicher nicht. Trotzdem hing es da in seiner vakuumierten Schutzhülle abseits der Fenster, damit es nicht ausbleichte. Ich fragte mich, ob es wohl noch passte. Seitdem Schluss war, hatte ich ein paar Pfund zugelegt. Hmm. Vielleicht sollte ich es einmal anprobieren.
Na toll. Jetzt wurde ich schon wie die alte Miss Havisham aus Dickens Große Erwartungen , die immer nur ihr Brautkleid trug. Als Nächstes würde ich verfaultes Essen zu mir nehmen und alle Uhren auf zwanzig vor neun stellen.
Irgendetwas nagte an meinem Fußknöchel. Angus. Ich hatte ihn nicht heraufkommen gehört. „Hallo, mein Kleiner“, sagte ich, hob ihn hoch und entfernte eine Nudel von seinem kleinen Kopf. Anscheinend war er irgendwie in das chinesische Essen geraten. Er winselte anhänglich und wedelte mit dem Schwanz.„Was ist das denn? Hm? Du liebst meine Frisur? Oh, danke sehr, Angus McFangus. Wie bitte? Es ist Zeit für Ben & Jerry’s-Eiscreme? Oh, da hast du absolut recht, mein kleines Genie! Was meinst du, welche Sorte? Crème Brûlée oder Chocolate Therapy?“ Angus wedelte weiter mit dem Schwanz, biss mir ins Ohrläppchen und zog daran. „Autsch. Chocolate Therapy also, gut. Und natürlich darfst du mir etwas abgeben.“
Ich befreite mein Ohrläppchen und wandte mich zum Gehen, doch da fiel mir draußen etwas auf.
Ein Mann.
Zwei Stockwerke unter mir lag mein mürrischer, malträtierter Nachbar auf dem Dach, und zwar auf dem hinteren Teil, wo es beinahe flach war. Er hatte etwas angezogen (leider!), und sein weißes T-Shirt leuchtete im Dunkeln. Jeans. Nackte Füße. Ich konnte erkennen, dass er … einfach nur so dalag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, ein Knie angewinkelt, und in den Himmel starrte.
Ich bekam ein seltsames Gefühl im Bauch, eine Mischung aus Ziehen und Kribbeln. Meine Haut begann zu prickeln, und ich spürte lang vernachlässigte Körperteile warm werden.
Langsam, um nicht gesehen zu werden, öffnete ich das Fenster einen Spalt. Das Frühlingsquaken der Frösche drang herein, der Geruch von Fluss und fernem Regen. Die feuchte Brise kühlte meine heißen Wangen.
Der Mond stieg im Westen immer höher, und mein Nachbar, der sich geweigert hatte, seinen
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