Ich habe mich verträumt
Jahren eingestellt hatte, der mich unterstützt hatte, als ein Vater mich drängte, die Note seineskleinen Peyton oder seiner Katherine zu verbessern, der meine Bestrebungen, die Jugendlichen in praktische Erfahrungen einzubeziehen, sehr schätzte. Ich hatte gedacht, er würde mir Bescheid geben, wenn er ginge. Aber das war natürlich schwer einzuschätzen. An Privatschulen liefen seltsame Dinge, und für gewöhnlich stimmten Avas Informationen haargenau, das musste man ihr zugestehen.
Vor der Lehring Hall traf ich Kiki. „Hallo Grace, kommst du mit essen?“
„Ich kann nicht. Ich muss vor ‚Geschichte der Kolonien‘ noch nach Hause.“
„Dein Hund, oder?“, fragte sie nach. Kiki war stolze Besitzerin eines diabetischen Siamkaters, der aus einem mir unverständlichen Grund den Namen Mr Lucky trug. Er war auf einem Auge blind, hatte mehrere Zähne verloren, würgte überdurchschnittlich oft Gewölle hervor und litt an einem Reizdarmsyndrom.
„Ja, Angus war in letzter Zeit ein bisschen verstopft und ich will nicht heute Abend nach Hause kommen und merken, dass es schlagartig vorbei war.“
„Hunde sind ja so eklig.“
„Darauf werde ich nichts weiter sagen, außer, dass es gerade eine Aktion ‚Zwei für Eins‘ für Katzenstreu bei Stop & Shop gibt.“
„Oh, danke!“ Kiki strahlte. „Ich brauche tatsächlich neue. Hey, Grace, hab ich dir schon gesagt, dass ich jemanden kennengelernt habe?“
Während wir zu unseren Autos gingen, ließ Kiki sich über die Vorzüge eines gewissen Bruce aus, der nett, großzügig, einfühlsam, lustig, sexy, intelligent, tüchtig und vollkommen ehrlich war.
„Und wann hast du diesen Typen kennengelernt?“ Ich schloss meine Fahrertür auf.
„Wir waren am Samstag Kaffee trinken. Oh Grace, ich glaube, dieser Kerl ist der Richtige. Ich meine, ich weiß, dass ich das schon mal gesagt habe, aber dieser ist wirklich perfekt.“
Ich biss mir auf die Zunge. „Viel Glück“, sagte ich und plante in Gedanken schon Zeit für ein tröstendes Gespräch in etwa zehn Tagen ein, wenn Bruce höchstwahrscheinlich seine Telefonnummer geändert hätte und meine Freundin weinend auf meiner Couch läge. „Sag mal, Kiki, hast du was von Dr. Eckhart gehört?“
Sie schüttelte den Kopf. „Warum? Ist er gestorben?“
„Nein. Ava hat erzählt, dass er in den Ruhestand geht.“
„Und Ava weiß das, weil sie mit ihm geschlafen hat?“ Kiki wohnte ebenfalls auf dem Campus und ging hin und wieder mit Ava aus.
„Na, na.“
„Tja, wenn das stimmt, wäre das doch toll für dich, Grace! Nur Paul ist länger da als du, stimmt’s? Du bewirbst dich doch, oder?“
„Es ist noch ein bisschen früh, um darüber zu reden“, wich ich ihrer Frage aus. „Ich wollte nur wissen, ob du was gehört hast. Bis später.“
Äußerst vorsichtig rangierte ich aus meiner Parklücke – manche Schüler an der Manning fuhren Autos, die mehr wert waren als mein Jahresgehalt, und es war nicht ratsam, eines von ihnen einzudellen – und fuhr aus Farmington heraus zurück nach Peterston. Die ganze Fahrt lang dachte ich über Dr. Eckhart nach. Wenn er wirklich ginge, würde ich mich tatsächlich für den Posten des Fachbereichsvorsitzenden bewerben. Um ehrlich zu sein, fand ich den Lehrplan für Geschichte an der Manning ziemlich verstaubt. Jugendliche sollten die Bedeutung der Vergangenheit spüren, und ja, manchmal musste man es ihnen auch eintrichtern – aber natürlich liebevoll.
Ich fuhr in meine Auffahrt und sah prompt den wahren Grund für meine Heimkehr, von Angus’ Verdauungsproblemen einmal abgesehen. Mein Nachbar stand mit einer Motorsäge oder etwa Ähnlichem in seinem Vorgarten. Mit nacktem Oberkörper. Ich sah das Spiel seiner Muskeln, seinen kräftigen Bizeps … hart … glänzend … Okay, Grace, das reicht!
„Howdy, Herr Nachbar“, rief ich und zuckte zusammen, als die Worte aus meinem Mund kamen.
Er schaltete die Säge aus und nahm die Sicherheitsbrille ab. Ich zuckte erneut zusammen. Sein Auge sah schrecklich aus. Es war jetzt einen Spalt weit geöffnet – was immerhin ein Fortschritt gegenüber gestern war –, und das Weiß war blutunterlaufen. Von der Augenbraue bis zur Wange war die Haut blauviolett verfärbt. Und obwohl ich ihm diese Verletzung beigebracht hatte – okay, nehmen wir mal den Plural, denn ich sah auch einen schmalen rötlichen Streifen an seinem Kinn, wo ich ihn mit der Harke getroffen hatte –, wirkte er auf mich ungeheuer erregend. Er strahlte die raue,
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