Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
sich bückt, das Podest aufhebt, es sich unter den Arm klemmt und eigenhändig wegträgt – bis eine Frau mit blonden Dreadlocks kommt und es ihm entwindet.
Nach und nach gehen die Kinder hinüber in den Dinosaurier-Bereich; Raiph und die Frau mit den Dreadlocks lachen über etwas. Es sind zu viele Leute um ihn herum, ich komme nicht an ihn heran, und als sich jemand von der Museumsaufsicht durch die Menge schiebt, trete ich den Rückzug an. Dass die letzten paar Meter die größte Herausforderung sein würden, habe ich nicht vorausgesehen. Ich stehe in dem Gang, hinter einem prähistorischen Schienbeinknochen, und denke darüber nach, ob ich ihn in der Herrentoilette abpassen soll, da werde ich aus dem Hinterhalt überfallen.
»Nennen Sie mir nur einen vernünftigen Grund, weshalb ich nicht sofort die Polizei verständigen sollte.« Es ist Raiph, mit grimmiger Miene.
»Es gibt noch ein Video«, sage ich und bewege mich von der Menge weg in einen Seitengang mit Gewölbe.
Er kommt mir hinterher, das Telefon schon in der Hand. Ein bitteres Lächeln umspielt seinen Mund, während er 999 wählt.
»Wenn es nicht gerade Lex ist, der aus dem Grab ruft, dass ich ihn umgebracht habe, gibt es nichts, das Sie haben könnten.«
»Der Preis Ihrer Aktie ist in den letzten beiden Stunden um zwanzig Prozent gesunken. Wollen Sie noch mehr riskieren?«
Seine blauen Augen starren mich unverwandt an – lange, so kommt es mir vor –, während er zwischen Neugier und Zorn schwankt und sich einfach nicht entscheiden kann. Schließlich lässt er die Hand mit dem Telefon sinken. »Sie sind mutig. Tollkühn geradezu. Die Medien machen den Prozess ganz allein. Ich vermute, Sie nennen es ausgleichende Gerechtigkeit.«
»Wer das Schwert nimmt …«
»… der soll durch das Schwert umkommen.« Er bleibt stehen. »Wenn dieser Tag zu Ende geht – ob Sie dann in Polizeigewahrsam sind oder nicht –, werde ich mich rächen. An Ihnen selbst, an Ihrem Mann, an dem, was von Forwood noch übrig ist, an der Produzentin, die Ihr Video gepostet hat.«
»Was ist das für ein Gefühl, das eigene Unternehmen zu verlieren?«
»Das gleiche wie immer. Glauben Sie vielleicht, das ist das erste Mal? Es ist das achte Mal. So geht es zu in der Business-Welt.« Wir stehen neben einem Steinrelief, das in die Wandfliesen eingelassen ist. Das zum Halbkreis gebogene Rückgrat eines Dinosauriers erinnert mich an die Ultraschallaufnahmen menschlicher Föten. »Nur muss ich mich normalerweise nicht gleichzeitig gegen die Behauptung wehren, ich hätte zwei Morde begangen.« Er klopft seine Brusttaschen ab, fördert ein Medizinfläschchen mit Inhalieraufsatz zutage und nimmt einen kurzen, kräftigen Hub. »Warum sind Sie hier? Was wollen Sie von mir?«
»Ich weiß, was ›Bluthund‹ ist.«
Das löst bei ihm gar nichts aus. »Überlegen Sie sich gut, wie Ihre letzten Augenblicke im Licht der Öffentlichkeit rüberkommen sollen. Ein Freund bei der Metropolitan Police hat mir heute Morgen gesagt, dass Lex laut Autopsie vor einer Woche umgebracht worden ist.«
Es dauert einen Moment, bis ich erfasse, was das bedeutet: Vor acht Tagen hatten Lex und ich den Unfall.
»Was bedeutet, dass ich für keine der beiden Mordnächte ein Alibi habe. Das ist nicht so angenehm, aber wenn Sie glauben, dass ich deswegen für alles den Kopf hinhalte, kennen Sie mich wirklich nicht im Ansatz. Sie versuchen verzweifelt, die eigene Haut zu retten, aber für Ihre üble Nachrede haben Sie sich das falsche Ziel ausgesucht. Für mich mag es momentan peinlicher sein mit all dem Geschrei, andererseits bin ich aber auch derjenige, der Sie am effektivsten zerquetschen kann.« Er zeigt mit dem Finger auf mich. »Ihre Kinder werden auch dann noch dafür bezahlen müssen, wenn das hier längst vorbei ist.« Raiphs Gesicht ist fleckig und rot vor Ärger, seine Stimme heiser. Er scheint sein Inhaliergerät oft zu brauchen.
»Haben Sie Portia gar nicht erzählt, dass Lex Ihnen gegenüber von ›Bluthund‹ gesprochen hat?«
»Jona und der Wal. Wirklich clever. Hat Paul sich das ausgedacht? Hat er seinen Bruder angespitzt, Ihnen das einzuflüstern? Das ist so eingängig, passt genau zu unserem Jingle-Zeitalter. Und das Timing! Es setzt mich unter echten Druck, während ich versuche, das Geld zusammenzubringen, das wir brauchen, wenn wir die Firma retten wollen. Er spielt ein unsauberes Spiel, Ihr Herr Gemahl.« Er nickt ein paarmal. »Dafür respektiere ich ihn beinahe noch mehr. Aber Sie
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