Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
an Gerüchten von den Bauern erfuhr, darauf war kein Verlass.
Die Moral seiner Guerilleros war angeschlagen. Zwischen den einheimischen und kubanischen Angehörigen seiner Gruppe bestanden starke Spannungen.
Am 3. Oktober waren wiederum zwei Guerilleros zu den Regierungstruppen übergelaufen:
»... während Camba zugab, gegen die Armee gekämpft zu haben, gestand Leon, dass er sich im Vertrauen auf die Worte des Präsidenten hin ergeben hätte. Die beiden haben Informationen über Fernando gegeben, über seine Krankheit und alles weitere, dabei nicht eingerechnet, was sie geredet haben, und was nicht veröffentlicht worden ist. So endet die Geschichte zweier heroischer Guerilleros. Höhe 1.360 m.«
Bei Guevara waren seit einiger Zeit, bedingt durch die unerhörten Strapazen, vielleicht aber auch durch die ungünstige Entwicklung, die die Guerilla genommen hatte, die Asthmaanfälle wieder häufiger aufgetreten. Aber seit einem Monat schon besaß er keine Medikamente mehr. Sein Asthma schnürte ihm Lungen und Hals zu und hinderte ihn am Atmen. Es gab Augenblicke, da bat er seine Kameraden, ihn heftig auf die Brust zu schlagen, oder er hängte sich an die Äste eines Baumes. Offenbar verschaffte ihm das Erleichterung.
Vor einigen Wochen hatte er Urbano ausgeschickt, um Medikamente aus den Höhlen des aufgegebenen Stamm- und Ausbildungslagers Ñancahuazú zu holen.
Es war Urbano gelungen, in die getarnten Verstecke einzusteigen, die zu diesem Zeitpunkt von der Armee noch nicht entdeckt worden waren, und er hatte so viel gebracht, wie er nur tragen konnte. Aber diese Vorräte waren nun erschöpft. Das einzige Medikament, das Guevara blieb, waren zwei Flaschen einer besonderen Art von Collyrium mit einer starken Zumischung von Cortison. Wenn er sich sehr elend fühlte oder wenn eine Kampfhandlung bevorstand, injizierte sich Ernesto diese Collyrium-Mixtur, was aber jeweils nur eine kurzfristige Besserung brachte.
Am 26. September waren die Guerilleros zwischen La Higuera und Jague in einen Hinterhalt geraten. In dem Feuergefecht mit den Regierungstruppen fielen Coco Peredo und zwei weitere Guerilleros. Die näheren Umstände dieser Kampfhandlung, der Tod eines seiner besten Männer (Coco), wirkten bei Ernesto schockartig nach. Er gestand sich ein, dass er, trotz aller Willenskraft, durch seinen schlechten körperlichen Zustand für die Beweglichkeit der Gruppe, von der allein es abhängig war, ob sie den Soldaten entwischen würden oder nicht, eine starke Belastung darstellte.
Der Trupp bestand nur noch aus 17 Mann. Gegen Mittag des 7. Oktober stieß eine Bauersfrau auf der Suche nach einer Ziege, die sich von der Herde entfernt hatte, auf das Lager der Guerilleros. Che notierte an diesem Tag:
»... 11 Monate sind seit Beginn unserer Guerilla ohne Schwierigkeiten vergangen ...« (Eine stoische Untertreibung. Die Guerilla war eine Kette von Schwierigkeiten, Fehlern und Katastrophen gewesen.) »... der Vormittag verlief ohne Gefahr in einer fast idyllischen Stimmung. Gegend 12.30 Uhr betrat eine Alte, die ihre Ziegen weidete, die Schlucht, in der wir unser Lager aufgeschlagen hatten. Wir haben sie festnehmen müssen. Die Frau gibt keinerlei glaubwürdige Auskunft über die Soldaten. Auf alles antwortete sie nur, dass sie nichts wisse und die Soldaten schon lange nicht mehr hier gewesen seien. Nur über den Weg machte sie Angaben, aus denen zu entnehmen ist, dass wir uns ungefähr eine Meile von Higuera, eine Meile von Jague und zwei Meilen von Pucara entfernt befinden. Gegen 17.30 Uhr gingen Inti, Aniceto und Pablito zum Haus der Alten, die zwei Töchter hatte, die eine kränklich, die andere ein halber Zwerg. Wir gaben ihr 50 Pesos und verpflichteten sie, nichts auszuplaudern. Wir haben jedoch trotz ihrer Versprechungen wenig Hoffnung, dass sie sich daran halten wird.«
Das Auftauchen der alten Frau hatte die Guerilleros nervös gemacht. Sie diskutierten und analysierten andere solcher Vorkommnisse. Zu den meisten Verlusten war es bisher immer durch Informationen der bäuerlichen Zivilbevölkerung an das Militär gekommen.
»Diese Bauern sind undurchschaubar wie Steine«, hat Ernesto in sein Tagebuch geschrieben. Ein Satz, in dem sich Zorn und Enttäuschung mischen und hinter dem sein intensives Verlangen spürbar wird, es möge doch anders sein. Die Guerilleros entschieden sich, ihr Lager abzubrechen.
In der Abenddämmerung des 7. Oktober begann die Gruppe, die Schlucht des Churo-Baches hinauf zu marschieren.
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