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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Haferburg
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nannten ihn ‚den Professor‘, obwohl er ja eigentlich nie was Richtiges gearbeitet hat.“
    Frau Damter lächelte entrückt. Ich griff extra grobschlächtig nach dem Foto. Dann sah ich ihn. Eine männliche, etwas ältere Ausgabe meiner selbst. Auf soviel Ähnlichkeit war ich nicht gefasst. Die hellen Haare waren kurz geschnitten. Der Körper eher zierlich, aber sportlich. Die Lippen voll. Voller als meine. Das Gesicht um einiges kantiger und länger. Dennoch unverkennbar.
    Als erriete Frau Damter meine Gedanken, sagte sie:
    „Sie sehen ihm mehr als ähnlich.“
    „Finden Sie?“
    Ich zuckte mit den Schultern.
    Er konnte erst knapp über fünfzig gewesen sein, als das Foto entstanden war.
    „Wann war das?“
    „Vor einem Jahr ungefähr ... da war er 59, glaube ich.“
    59!
    Schon ohne zu rechnen wusste ich, dass das hier nicht mein Vater war. Meine Mutter hätte wohl kaum mit einem Mann, oder besser: einem Kind geschlafen, das über zwanzig Jahre jünger war, als sie selbst.
    „Und Sie sind ganz sicher, dass er eine Geburtsurkunde von mir hat?“
    „Ja.“
    Sie hielt mir ein graues Blatt Papier hin. Eine Durchschrift meiner Geburtsurkunde. Meine Verblüffung konnte ich nicht verbergen.
    „Ist was? Er ist es. Das ist ja auch schon optisch nicht zu leugnen.“
    Ich steckte das Foto ohne zu Fragen ein. Sie hatte Recht. Er sah mir ähnlich. Ich glaubte dennoch an einen Irrtum. Ich musste zu mir kommen. Als ich aufstand, reichte mir Frau Damter einen dicken Umschlag mit einem großen C darauf. Wenn das hier wirklich mein Vater war, hatte er sich nicht mal die Mühe gemacht, meinen Namen auszuschreiben.

    Die Pension lag direkt in der Fußgängerzone. Die Fassade sah frisch restauriert aus. Innen hatte das Haus den Charme eines gekachelten Badezimmers aus den Fünfzigern. Billige Fliesen bedeckten mehr schlecht als recht die halbe Höhe der Wände. Hinter einem kleinen Tisch saß eine ältere Dame, die mich umständlich begrüßte und mir den Schlüssel für mein Zimmer gab. Es war altbacken eingerichtet. Das Bett stand direkt hinter der Tür, so dass man sie nicht ganz öffnen konnte. Als ich mich darauf setzte, knisterte das Polyester des Bettüberwurfs.
    Ich holte die beiden Fotos hervor. Louis Kampen als neunundfünfzigjähriger Mann letztes Jahr und meine Mutter so um die fünfundvierzig vor vierzig Jahren. Ein schönes Paar hätte das ergeben, klebte man die Fotos zusammen. Nur gab es eine kleine Zeitverschiebung.
    Wie konnte das passiert sein? Meine Mutter hatte es schon nicht lustig gefunden, wenn sich ältere Männer mit zu jungen Frauen schmückten. Das ging über meine Vorstellungskraft. Ein Zwanzigjähriger konnte mich nicht gezeugt haben. So charmant meine Mutter einmal gewesen sein mochte, wäre eine Beziehung dieser Art gegen ihre moralischen Vorstellungen gegangen.
    Mein vermeintlicher Vater lachte breit über das ganze Gesicht, während er mit Gläsern und Töpfen hantierte. Ich wurde fast wütend. Wollte mich jemand auf die Schippe nehmen? Wer konnte daran Interesse haben? Noch eine Stunde später starrte ich auf die beiden Fotos. Um mich abzulenken, stellte ich den Fernseher an und klickte mich durch die Programme. Mein Kopf verweigerte die Vorstellung, dass meine Eltern hätten Mutter und Sohn sein können.
    Kurz dachte ich darüber nach, den Brief zu öffnen, aber die Angst überwog. Was auch immer Louis Kampen aufgeschrieben hatte: Es würde mir sicher nicht gefallen.
    Frische Luft. Ich musste unter Leute. Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, in nächster Zeit kürzer zu treten, wollte ich wenigstens ein Glas Wein trinken.

5. König von Zauberland
    Das konnte nicht sein. Wo in aller Welt war ich jetzt wieder gelandet? Ich wagte mich nicht zu rühren. Um meine Taille krallte sich ein Arm. Die Erinnerung kam in Etappen zurück. Alles hatte so harmlos angefangen. Spaghetti bei einem Italiener. Drei, vier Gläser Wein. Nach dem fünften Glas ein Flirt mit dem Kellner. Mit dem Mann, der jetzt hinter mir lag und leise schnorchelte. Ich kniff die Augen zusammen, als ob ich dadurch verschwinden würde, oder zumindest woanders aufwachen könnte. Der Mann hieß Stefan und ich hatte ohne Frage mit ihm geschlafen.
    So vorsichtig es irgendwie ging, versuchte ich mich aus der halbfreiwilligen Umarmung zu lösen. Als ich endlich auf der Bettkante saß, drehte sich meine Eroberung um und atmete ruhig weiter. Ich fühlte mich leicht betäubt und hatte einen modrigen Geschmack auf der Zunge. Zu viel

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