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Ich haette dich geliebt

Ich haette dich geliebt

Titel: Ich haette dich geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Haferburg
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liest, bin ich tot. Mausetot. Futschikati. Ich bin schwer krank und weiß, dass ich dem Tod nicht noch einmal von der Schippe springen werde.
    Ich hab mich schon mehrmals bei ihm beliebt gemacht. Aber jetzt hat er sich ein Herz genommen und mir einen schönen Krebs an den Hals gehängt. Das Gute daran ist das Morphium. Ich habe keine Schmerzen, liege im Bett herum und schwebe auf Wolke sieben. Ich denke, ein paar Wochen werde ich noch durchhalten. Dann ist Schluss.
    Ehrlich gesagt macht mich das nicht besonders fertig. Mein Leben ist gelebt, und schon lange krabbel ich umsonst auf der Suche nach etwas, das längst vorbei ist. Es gibt nur eine Sache, die ich bereue, und das ist, Dich nie kennengelernt zu haben.
    Ich hoffe, Du hast nicht allzu viele genetische Nachteile durch mich erlitten. Du bist sicher eine hübsche Frau geworden. Wie Deine Mutter.
    Aber irgendetwas wirst Du ja von mir haben, oder? Vielleicht die Füße? Meine Füße sind schön. Das kannst Du mir glauben. Elegante Herrenfüße. Schmal und mit perfekt geformten Zehen. Oder meine Ohren. Klein und niedlich sind die. Ach Clara, ich wüsste nur zu gern, wie Du aussiehst.
    Ein paar Mal habe ich mir überlegt, Dich zu beobachten. Heimlich einen Blick auf Dich zu werfen. Aber ich bekam Angst vor meiner eigenen Courage. Es hätte mich vielleicht früher umgebracht.
    Ich schreibe Dir, damit Du mich verstehst. Im Nachhinein. Es ist mir wichtig, dass Du weißt, wer ich bin. Ich kann mir denken, dass Deine Mutter kein Wort über mich verloren hat. Ich kenne sie, die Gute. Besser als mich selbst. Nichts wird sie erzählt haben von mir. Das ist alles, was ich ihr jemals ankreiden kann. Angekreidet habe.
    Auch ist es so, liebe Clara, dass Du das einzige Stückchen Mensch bist, welches von mir überleben wird. Und ich muss Dir sagen, es hat mich eine Art Alterspanik ergriffen. Ich will nicht ganz vergessen werden. Ja, so ein Egoist bin ich.
    Du wirst Dich wahrscheinlich fragen. Wieso hat sich dieser Kerl nicht gemeldet? Warum erst jetzt?
    Ich sage es Dir.
    Es gab eine Abmachung zwischen Deiner Mutter und mir. Oder sollte ich sagen: Befehl? Ich hab ihr schwören müssen, dass ich mit meinem Fortbleiben jeglichen Kontakt zu Dir unterlassen soll. Sie hat es natürlich anders formuliert. Ungefähr so: „Louis, verschwinde und schwöre bei Deinem Augenlicht, dass Du wegbleibst. Das Kind musst Du vergessen.“
    Genauso war's, und weißt Du was? Es kam meiner Feigheit gerade zu Pass. Ja, ich war ein Feigling. Mit ungewolltem Freifahrtschein zur totalen Verantwortungslosigkeit. Die Geschichte dahinter ist so kompliziert, dass ich mich kaum wage, sie selbst zu verstehen, aber ich möchte es versuchen. Nicht zuletzt für mich. Aber auch für Dich, Clara.
    Nicht einen Tag. Nicht einen einzigen Tag warst Du mir egal. Das möchte ich Dir sagen.

    Ich starrte die Zeilen an. Wollte er jetzt meiner Mutter die Schuld geben? Sie hatte ihn fortgejagt? Das war das Letzte. Und wie das klang. So leichtfüßig: Och, jetzt sterbe ich, und du warst mir nicht egal.
    Ich stand auf und öffnete das Fenster. Ich überlegte mir ernsthaft, den Brief wegzuschmeißen. Zu zerreißen. Drei Minuten später saß ich wieder da. Mit dem Papier in der Hand. Aufgewühlt las ich weiter.

    Als ich Deine Mutter kennenlernte, war ich zwanzig Jahre alt. Meine Eltern haben mich gedrängt, eine Ausbildung zu machen. Bankkaufmann. Das passte zu mir. Ich konnte ungefähr so gut mit Geld umgehen wie der Papst mit einer Kalaschnikow. Aber vielleicht hatten sie die Hoffnung, dass sich das änderte. Ich weiß es nicht. Am Ende wollten sie mein Bestes. Und das ist nicht dahergesagt. Sie wollten mein Bestes.
    Ich wohnte also in einem Jugendheim. Dieses schäbige Ding hinter dem Gymnasium. Du musst es kennen. Eine ehemalige Baracke für die Bundeswehr. Das war in den sechziger Jahren. Übrigens ist dieser Kelch an mir vorbeigegangen. Ich habe als Kind eine schwere Bronchitis gehabt. Daran wäre ich zur großen Sorge meiner Mutter fast gestorben. Bin ich aber nicht. Dann wärst Du aber auch nicht geboren. Dann wärst Du jetzt jemand anders, oder? Ich schweife ab.
    Aber ich habe seitdem schwere Atemprobleme gehabt. Der diensthabende Arzt bei der Musterung war mir wohl gesonnen und schickte mich nach Hause. Was wiederum große Sorge bei meinem Vater hervorrief, der mir prophezeite, dass ich nie und nimmer einen beruflichen Aufstieg ohne Wehrdienst schaffen werde.
    Er hatte nicht unrecht. Das lag aber nicht am Wehrdienst,

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