Ich haette dich geliebt
er mein Kommen erwartet. Ich war wütend auf mich. Ich bestellte eine Pizza, und er schenkte mir genauso viel Beachtung wie allen anderen Gästen. Vielleicht noch ein bisschen weniger. Am liebsten wäre ich ohne zu zahlen abgehauen. Als ich ihm Trinkgeld geben wollte, winkte er ab. Von mir würde er doch nichts nehmen. Gedemütigt, aber satt, trabte ich zurück in meine Pension.
Wie eine Aufforderung lag der Brief auf dem Bett. Ich putzte mir die Zähne und grinste mich selbst im Spiegel an. Als kleine Aufmunterung. Mein Handy meldete sich zu Wort. Im ersten Moment dachte ich an Stefan, der zu Kreuze kriechen wollte ... und mich sehen. Aber es war Willy. Das gab mir den Rest.
--Voller Laden, Stress. Versuchs nach der Arbeit noch mal mit Charlotte, auf Deine Empfehlung. Hoffe es geht Dir gut.--
Dieses Paarungsgebaren nervte. Ich machte mein Handy aus und gleich wieder an. Dann nahm ich den Stapel Papier zur Hand und las weiter.
Jetzt kommt gleich die Pflegerin. Johanna. Keine heilige Johanna. So viel steht fest. Sie ist ein strenges Biest mit einem verkniffenen Gesicht. Wenn ich nicht schon kurz vorm Absprung wäre, hätte sie mir sicher hier und da eine geklebt. Zum Beispiel, weil ich immer noch rauche. Das wäre ja auch noch schöner. Jetzt aufzuhören macht nun wirklich keinen Sinn.
Ich hoffe, Du rauchst nicht, Clara. Deine Mutter hat es gehasst, wenn ich geraucht habe. Damals habe ich mir meine Zigaretten selbst gedreht. Ich war schnell wie der Wind. Im Akkord konnte ich die Dinger herstellen. Deine Mutter hat gesagt, ich würde stinken wie ein verkohlter Müllhaufen. Von da an habe ich nur noch geraucht, wenn sie nicht dabei war. Ich habe mir wie verrückt die Zähne geputzt und Kaugummis wie Brot gegessen. Sie hat es trotzdem gemerkt. Aber das war schon viel später.
Wo war ich stehengeblieben? Das Fahrrad, nicht wahr? Ich hatte mir also dieses Fahrrad geliehen, und rate mal, wen ich nicht aus dem Kopf bekam. Richtig! Deine Mutter hatte sich in meinen Kopf gefressen, wie eine Laus in ein Blatt. Ich war ja nicht ganz blöd. Ich wusste, sie war eine richtige Frau. Eine Lady. Eine Schönheit. Aber ich war großkotzig genug, ihr den Hof zu machen. Stell Dir vor.
Also fuhr ich in schöner Regelmäßigkeit an ihrem kleinen Radverleih vorbei. Ich hielt an und versuchte, mit ihr zu flirten. Sie fühlte sich, glaube ich, geschmeichelt.
„Louis, du schon wieder. Musst du nicht zur Bank, das viele Geld verwalten?“, sagte sie oft.
„Ja, aber nicht ohne einen Blick auf die schönste Frau im Universum zu werfen.“ Ich trug ziegeldick auf und sagte gleichzeitig die Wahrheit.
„Da bin ich aber froh. Dass du alle Frauen dieser Welt schon kennengelernt hast. Du musst mindestens drei Millionen Jahre alt sein.“ Ich grinste.
Sie nahm mich anfangs nicht ernst, denke ich. Niemand wusste von meiner Schwärmerei. Wem hätte ich es auch erzählen sollen? Niemand hätte es verstanden. Meine Kollegen im Berufsschulheim waren hinter jungen Röcken her. Oh ja. Ab und zu mimte ich Begeisterung für die eine oder andere Schnecke. Dass kein Gerede rauskommt. Es waren andere Zeiten, Clara. Wenn Du nicht den Mädels nachgejagt bist, warst Du hinter Jungs her. Und dafür hatte weiß Gott niemand Verständnis.
Der kleine Sven war so einer. Ein kleines zierliches Menschlein mit glasklaren blauen Augen. Er hatte ein Gedicht geschrieben. Ein Liebesgedicht für einen Mann. Den Namen hab ich vergessen. Diese Bastarde haben das Gedicht gefunden. Sie haben ihn auseinandergenommen. Seine Tage waren gefüllt mit Demütigungen der schlimmsten Art. Eines Tages hing er an der Decke. Ich habe mich zu Tode geschämt. Nichts Tun ist auch nicht besser als Draufschlagen.
Es klingelt. Johanna. Bin wieder da. Sie hat mir neues Morphium gebracht, die Schreckschraube. Und mein Bett gewechselt. Es riecht frisch gewaschen. Ich habe Schmerzen heute. Es sticht in der Lunge. Dabei habe ich Blutkrebs. Wahrscheinlich haben es sich diese kleinen Mistviecher von unglücksseligen Krebszellen in meinem gesamten Körper gemütlich gemacht. Bevor ich diesen Brief nicht zu Ende geschrieben habe, kann Gevatter Tod mich mal gern haben.
Ich brachte Deiner Mutter Blumen. Und weißt Du was? Sie nahm sie und freute sich. Andere hätten sich vielleicht geziert und abgelehnt. Sie war anders. Das Leben war schön für sie. Und die Blumen waren für sie eben nur Blumen. Nichts sonst. Keine versteckten Forderungen, Erwartungen oder sonstwas konnte sie darin lesen. Eine
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