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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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klatschte begeistert mit dem Publikum. Ich wusste wieder mal gar nicht, worum es ging.
    »Ich liebe Chubby Bunnies. Ich bin Meister in Chubby Bunnies!«, rief Eddie verzückt.
    Zwei Eimer wurden gebracht sowie eine riesige Tüte Marshmallows. Langsam ahnte ich, worauf der Spaß hinauslaufen sollte. George erklärte die Prozedur noch einmal für die Nichteingeweihten: »Die Kontrahenten, also Eddie mit dem großen Mund und das kleine deutsche Spitzschnütchen hier, werden jetzt abwechselnd einen kleinen Marshmallow in den Mund nehmen und dann die Worte Chubby Bunnies sagen. Ohne den ersten Marshmallow runterzuschlucken, werden sie dann den nächsten in den Mund nehmen und diese Worte wiederholen. Das geht solange weiter, bis einer der Spieler nicht mehr Chubby Bunnies sagen kann oder körperlich gezwungen ist, seine Marshmallows wieder so aus seinem Körper herauszubefördern, wie sie hineingekommen sind, okay? Okay!«
    Ich hätte an dieser Stelle einfach gehen sollen. Gil rief mir zu: »Lass es, Mädel, es sind nicht mal Batterien drin, es lohnt sich nicht!«
    Ich ließ es nicht. George gab mir den ersten Marshmallow.
    »Chubby Bunnies!«, rief ich.
    Eddie steckte seinen Marshmallow geübt in eine Backentasche und rief ebenfalls: »Chubby Bunnies!«
    Den zweiten Marshmallow verpackte ich noch mühelos, auch den dritten, vierten und fünften. Beim sechsten achtete ich darauf, George möglichst viel unddirekt ins Gesicht zu spucken. Eine sehr kurze Genugtuung, denn nachdem sich George das Gesicht abgewischt hatte, änderte er die Spielregeln: »Ich sehe, wir haben hier zwei echte Profis am Start! Ab jetzt heißt es: zwei Marshmallows pro Runde!«
    Was war das für eine Welt? Ich stand tatsächlich vor der Kamera in Hollywood, und die Leute wollten nichts anderes von mir, als dass ich endlich anfing, geschäumten Zucker zu kotzen. Okay, die Kameras liefen nicht, und wenigstens galt ich als Geheimfavorit, zumindest bei meinen so genannten Freundinnen. Durch fast verstopfte Ohren hörte ich sie rufen: »Mach ihn fertig, Mädel! Hol dir den Scheiß-Walkman! Du schaffst es!«
    Ich stopfte mir Marshmallow Nummer zwölf in den Mund, verlor dabei fast Nummer zehn und elf. Es ging mir nicht mehr um den blöden Walkman, ich wollte auch nicht diese Kröte von George fertigmachen, ich wollte einfach nur gewinnen, wollte zeigen, dass jeder in diesem Land eine Chance hat, ganz groß rauszukommen, ich wollte, ich wollte …
    »Huäuay Onnisch!«, schrie ich heraus, und das Publikum grölte.
    Ich wollte mich komplett zum Affen machen, das war’s wohl. Eddie schob sich seinen zweiundzwanzigsten Marshmallow in den Mund, ich hörte ihn würgen, ein Brechgeräusch im Hintergrund, der Eimer füllte sich. Ich hatte gewonnen, gewonnen!
    Das Publikum erhob sich, Standing Ovations, Amanda stimmte einen Gospelsong an. Wir hatten nicht mit George gerechnet. Er rief: »Noch hat sie nicht gewonnen,noch hat sie nicht gewonnen! Sie muss noch einmal Chubby Bunnies sagen, und zwar mit diesem dreiundzwanzigsten Marshmallow.«
    Er wollte mir den Zuckerklumpen schon selbst in den Mund stecken, aber plötzlich tauchte Chuck Wooley hinter ihm auf. Wir hatten wohl die Zeit etwas vergessen, denn Chuck schien wirklich verärgert darüber, dass wir immer noch auf der Bühne standen. Es kam, wie es kommen musste. »George, was geht hier vor?«
    Und George erschreckte sich so sehr, dass er sich wie ein geprügelter Hund niederduckte und zu einer Entschuldigung ausholen wollte. Ich ersparte ihm die Mühe. Kein Mensch kann zweiundzwanzig Marshmallows länger als eine Minute im Mund behalten – nach einer gewissen Zeit muss man sie einem abgehalfterten Fernsehmoderator ins Gesicht spucken.
    Chuck nahm die Sache sehr gelassen, sehr professionell. Er wischte sich einfach die gröbsten Klumpen aus den Augen und sagte ganz ruhig: »George, du bist gefeuert. Sie, Sie sind auch gefeuert!«
    Ich spuckte noch ein bisschen nach, dann sagte ich: »Ich arbeite gar nicht für Sie. Nicht direkt, zumindest.«
    Chuck hatte sich schon auf seinen Pegel gebracht, deswegen sah er mich nur schief an und deutete auf sein beschlabbertes Hemd: »Lady, wenn Sie das nicht direkt nennen, dann weiß ich es auch nicht.«
    Im Weggehen zog er sein klebriges Jackett aus und sagte die Show für den Nachmittag ab.
    Ich schaute auf die Ränge. Keiner applaudierte mehr, alle sahen mich kopfschüttelnd an. So vergeht derRuhm der Welt. George war auf dem Boden zusammengesunken und wimmerte leise.

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