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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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einen Werbetext geschrieben, warten Sie, warten Sie!«
    Er wühlte in seinen Schubladen und fand schließlich eine einzelne Seite zerknittertes Schreibmaschinenpapier. Dann stellte er sich vor mich hin, als wolle er ein Gedicht vortragen: »Also, es ist eine Reklame für ein Shampoo, aber das werden Sie als Profi schon merken. Also: Eine wunderschöne Frau (an dieser Stelle beschrieb er, mit den kurzen, fetten Armen rudernd, eine Wölbung vor seiner Brust, die wohl Körbchengröße Doppel-F darstellen sollte) geht auf einem langen, langen roten Teppich entlang. Sie ist ein Star, verstehen Sie? Und sie hat so dolle Haare. Sie lächelt in die Kamera, und sagt: ›Haare wie Hollywood. Mit dem neuen Soundso-Shampoo!‹ Na? Und?«
    Ich starrte in meine Espressotasse. So ganz wollte ich es mir nicht verderben mit einem Irren, der sich unter Umständen noch privatere Teile von mir ansehen würde.
    »Herr Doktor, es hat was … Großes!«
    Dr.   Fantastisch freute sich wie irre; nie zuvor habe ich jemanden mit dem ganzen Körper kichern sehen: »Finden Sie, ja? Och, ich wäre gerne in die Werbung gegangen. Oder ich wäre bestimmt auch ein guter Schauspieler geworden. Aber mein Vater meinte, ich solle in seine Fußstapfen treten. Macht ja auch soviel Freude. Was, äh, machen eigentlich Ihre Eltern so?«
    Ich holte tief und hörbar Luft. »Wissen Sie, ich könnte noch ewig mit Ihnen plaudern, aber … also, ich habe Schmerzen!«
    Doktor Fantastisch sah mich an, als hätte ich ihn gerade geweckt. »Ah, ja, die Verletzung. Ganz vergessen.Dann setzen Sie sich doch mal auf meinen schönen Stuhl da hinten, aber vorsichtig, da ist frisch gefliest.«
    Warum blieb mir nichts erspart? Der Boden um den blöden Stuhl war sehr frisch gefliest. Die erste Fliese, auf die ich trat, rutschte glatt aus den Fugen. Doktor Fantastisch kratzte sich am Kopf: »Wissen Sie, die letzte Patientin habe ich so dahin geworfen, aber die war auch ein ganzes Stück kleiner als Sie. Sie müssten schon springen. Schaffen Sie das?«
    Wenn der Arzt meines Vertrauens mir tatsächlich ein Gläschen Prosecco zum Mut-Antrinken anbietet, schaffe ich fast alles. Ich nahm einen Schluck, dann Anlauf und …
    »Gut gemacht, Bravo!«
    Dr.   Fantastisch sah sich meine Verletzung an.
    »Äußerst selten. Ein so genannter Pfählriss . Da muss ja die Post abgehen bei Ihnen zu Hause. Eigentlich sollte man auf so eine leidenschaftliche Beziehung ja noch mal anstoßen, hihihihi. Oh, der war gut!«
    Ich habe mich mit der Zeit daran gewöhnt, dass es in meinem Leben mehrere Paralleluniversen gibt. Ich gerate mittlerweile deswegen nicht mehr in Panik, sondern versuche mitzulachen, auch wenn es auf meine Kosten geht. Wenn ich schon halbnackt mit einem Glas Prosecco in der Hand einem verkannten Komödianten in Größe XS gegenübersaß, der Benny-Hill-Witze riss, konnte ich auch gleich mit einsteigen: »Ja, Doktor, dann schenken Sie uns doch einfach nach, und wir trinken darauf, dass sich mein Freund solange keine Neue aufreißt.«
    Das fand der Doc erstaunlicherweise sehr komisch. Er erstickte fast an seinem Lachanfall.
    Als er sich nach zehn Minuten einigermaßen davon erholt hatte, meinte er:
    »Ach, junge Frau, Sie gefallen mir. Sie wissen das Leben zu nehmen, wie es kommt. Meinen Sie, Sie schaffen den Sprung zurück?«
    Und ich schaffte es. Doktor Fantastisch verschrieb mir eine Salbe und nahm mich beim Herausgehen an die Hand: »Sie werden das schon hinkriegen, Sie sind eine tolle Frau. Ich könnte mir vorstellen, dass auch Ihr Bild eines Tages hier hängen wird.«
    Ich starrte auf seine Fotowand.
    »Dann möchte ich aber neben Siegfried und Roy hängen, ja?«
    Er gab mir die Hand darauf und versprach, dass er mir bei meinem nächsten Besuch ein Geburtshoroskop erstellen würde – das sei so ein Hobby von ihm.
    Die Apothekerin sah sich mein Rezept an und schmunzelte. Sie gab mir die Salbe und wünschte mir »einen ganz besonders schönen Abend«. Erst dann sah ich mir die Kopie des Rezeptes an. Auf dem Zettel stand, unter der Medikamentenbezeichnung: »Frau Buddenkotte, bitte zwei Wochen nur kuscheln, verstehen Sie? Nur kuscheln!! Herzlichst, Ihr Doktor Fantastisch.«

Eines Tages war mir nach Erholung. Bei meinen Recherchen zum Thema entdeckte ich, dass meine großen literarischen Vorbilder sich zu diesem Zwecke stets in Luftkurorte zurückgezogen hatten, um mit einem karierten Plaid auf den Knien monatelang auf Terrassen auszuharren und im Zweifelsfall dort wie nebenbei

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