Ich hatte sie alle
hat.«
O je. Das Krokodil namens Viktor fing an.
»Ich mag meinen Namen. Er bedeutet ›Der Siegreiche‹. Ich mag keine Blumen. Also nur manche. Früher mochte ich meinen Namen nicht so sehr.«
Jetzt wurde es spannend, Viktor begann, sich zu öffnen. »Wie ihr alle wisst, können Kinder echt grausam sein. Mich nannten sie früher Wick-Bonbon .«
Verständnisvolles Kopfnicken von allen Seiten, betretenes Schweigen. Ein einziges, peinliches Lachen erschütterte den Raum. Alle schauten mich an, als wäreich auf eine andere Art bescheuert als sie selbst. Stimmte ja auch. Wick-Bonbon! Wie blöde war das denn?
Dann war Oberwachtmeisterin Susanne an der Reihe, die auf keinen Fall Susi genannt werden wollte. Sie sagte das so deutlich, dass uns allen klar wurde, dass es für jedes Susi-Sagen einen Kieferbruch retour gab.
Mariechen hieß Gabriele, hatte aber mit Gabi kein wirkliches Problem. Mit ihrem Namen verband sie den Erzengel Gabriel, daher die Blumenranken. Ach so.
Dann war ich dran. »Ich mag meinen Namen. Das Tolle an ihm ist, dass man eine Endlosschleife daraus machen kann. Katinkatinkatinkatinkatink …«
Alle sahen mich verständnislos an. Ich hatte mich wohl gerade als extrem ichbezogen und neurotisch dazu geoutet. Die Therapeutin lächelte: »Und warum haben Sie den Papagei dazugemalt?«
Erwischt. Ich durfte ja auf keinen Fall zugeben, dass ich den Blumenranken-Trick kannte. Oder mich gar wichtig machen wollte. Also erfand ich eine nette kleine Geschichte, die mich zum Psychotiker der Woche krönen sollte.
»Ja, also, ich hatte auch mal einen Vogel, und der sagte immer nur Katinkatinkatink … Deswegen.«
Malte meldete sich zu Wort: »Warum hast du dem Vogel denn deinen Namen beigebracht und nicht seinen eigenen?«
Großartig. Ein Mann, der nicht nur Gesichter in Buchstaben malte, sondern auch für die Selbstbestimmung von ausgedachten Sittichen kämpfte. Das wurde mir zu blöd.
»Der Vogel hieß auch Katinka. Darum.«
Meine Schuhe hatten langsam aber sicher den Zenit ihres Aromas erreicht. Bis auf meine Therapeutin schienen jetzt alle unter leichten Schleimhautverätzungen zu leiden; jedenfalls wurde schüchtern darum gebeten, ein Fenster zu öffnen. Seppl-Malte und Gabi-Mariechen nutzen die Gelegenheit, ihre Stühle von mir wegzurücken. Das Schlimme daran war, dass ich mir mittlerweile nicht mehr sicher war, ob sie das wegen meiner Ausdünstungen taten oder weil ich ihnen rein mental unangenehm war.
Am Ende der ersten Runde waren erst zwanzig Minuten vergangen, und in der zweiten wurde selbstverständlich mit härteren Bandagen gekämpft. Noch waren wir mit unseren blöden Namensschildern nicht fertig.
»Jetzt möchte ich, dass jeder von Ihnen anhand des Namenschildes rät, was Ihr linker Nachbar wohl macht. Beruflich, oder wie sein Familienstand ist. Falls jemand ganz falschliegt, darf die betreffende Person kurz korrigieren.«
Eine heikle Aufgabe, die Gabi-Mariechen völlig aus den Socken haute.
»Aber das geht doch nicht. Das ist doch peinlich, wenn man jemanden niedriger einschätzt. Da sag’ ich dann einfach was Höheres , oder?«
Unsere Therapeutin beruhigte sie: »Sie müssen ja nichts Genaues sagen. Eine Tendenz genügt völlig.«
Gabi-Marie beruhigte sich nur halbwegs. Viktorschätzte Susanne goldrichtig auf kinderlos und im kaufmännischen Bereich tätig ein. Ich sah in Malte einen Kindergärtner mit Kinderwunsch und erreichte damit einen von zwei möglichen Punkten. Er war Steuerberater, aber ich war nah dran. Gabi-Marie sah mich an, als sei ich eine Zimmerpflanze mit Blattlausbefall. Bevor sie sich äußerte, widmete sie meinem Bauchumfang besondere Aufmerksamkeit. Dann fällte sie ihr Urteil.
»Die hat mindestens zwei Kinder. Alleinerziehend. Und ist von Beruf … Kassiererin.«
Das war selbst für mich zu viel. Ich verspürte den Drang, Gabi-Marie ordentlich eine zu scheuern. Ging natürlich nicht, denn dann müsste ich nächstes Mal erneut zur Gruppentherapie. Ich suchte nach einer eleganten Lösung, Gabi genauso niederzumachen, wie sie es mit mir getan hatte. Ich rang nach Atem und wollte gerade sagen: »Mein Mann und ich sind zu beschäftigt, um uns Kinder zuzulegen. Das bringt der Job im Vorstand einer großen Bank halt mit sich.« Aber das würde schnell auffliegen. Also sagte ich so arrogant wie möglich: »Nein, ich bin Künstlerin. Und kinderlos. Aber ich lebe in einer festen Beziehung.«
Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, im Anschluss nicht
Weitere Kostenlose Bücher