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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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meinem Leben geändert. Statt mich im elterlichen Heim allein mit Erdbeersekt zu beschwipsen, saß ich nun mit meiner neuen Freundin Sandra in unserer Jugendherberge in Hollywood und trank Wodkabowle zum Frühstück.
    Gut, wir waren nicht direkt dort, wo die Stars ein- und ausgingen, aber immerhin waren Sandra und ichseit einem halben Jahr fest angestellt: sie als Hausmeisterin, ich als Klofrau.
    Ich fand es irgendwie rührend, dass Sandra an meinen Geburtstag gedacht hatte, obwohl sie ihn um knapp einen Tag verfehlt hatte. Diese Gefühlsduselei, kombiniert mit der Bowle, ließ mich auch auf Sandras großartigen Vorschlag eingehen: »Lass uns doch mal Melissa besuchen, die feiert heute eine kleine Party!«
    Ein scheinbar harmloses Unternehmen, in das ich nur einwilligte, weil ich folgende Tatsachen erfolgreich verdrängt hatte: Melissa war aus unserer Jugendherberge rausgeschmissen worden, obwohl ihr ständig wechselnder Herrenbesuch sie stets fürstlich für diese Übernachtungsmöglichkeit entlohnt hatte. Dennoch war unser aller Herbergsvater Costas der Meinung gewesen, dass dieses Haus kein Puff sei, zumindest kein richtiger.
    Melissa war also ins Valley gezogen, was meine Freundin Sandra sehr betrübte, denn an Melissas freierfreien Tagen hatten die beiden sich gerne mal ein Bett geteilt.
    Hinzu kam, dass Melissa nicht nur weit, weit weg ans andere Ende der Stadt gezogen war, sondern auch mit meinem hartnäckigsten Verehrer eine Wohnung teilte – einem Typen namens Stewart, den alle nur Donkyschlong nannten. Da Donkyschlong auch an öffentlich sichtbaren Stellen und auf geistigem Niveau eher einem Unpaarhufer glich, fiel seine Liebe bei mir nicht auf allzu fruchtbaren Boden. Immerhin, er vergötterte mich bedingungslos, und das allein reichte mir an jenem Tagaus, um meine letzten Kröten in eine Taxifahrt zu investieren.
    Auf halbem Weg ins Valley fiel Sandra auf, dass sie ihr Portemonnaie vorsichtshalber gar nicht mitgenommen hatte. Kleiner Tipp an alle Reiselustigen unter euch: Wenn ihr mit einer liebestollen Lesbe auf dem Weg in die Arme ihrer Angebeteten seid, werdet nicht allzu zuversichtlich, wenn sie spricht: »Zurück kommen wir schon irgendwie.« Denn eigentlich meint sie nur zwei Worte an diesem Satz wirklich ernst: »irgendwie« und »kommen«.
    Am Ende meiner zwanzig Dollar hielten wir vor einem Appartementblock, der mich spontan an die vierhundert anderen Appartementblocks erinnerte, die ihn umringten. Der Taxifahrer konnte uns auch keine weiteren Auskünfte über die Korrektheit unseres Fahrziels geben, weil er schnell wieder aus der Gegend wegwollte, wie er uns erklärte. Wir standen ratlos im Dunkeln, als wir plötzlich ein Knallen aus dem vierten Stock hörten. Es klang wie ein Pistolenschuss.
    »Da muss es sein!«, rief Sandra erleichtert und zog mich zur Eingangstür. Irgendetwas hielt mich zurück.
    »Sandra, das war ein … ein Gewehr oder so?«
    Wir lauschten. Noch mehr Schüsse, dann Gelächter. Sandra fand die einzig plausible Erklärung: »Das sind doch nur Knallbonbons. Komm, das wird bestimmt lustig.«
    Das Flurlicht funktionierte selbstverständlich nicht, also folgten wir dem Knallen, dem Gelächter und – dem Stöhnen. Ich zog kurz in Erwägung, die vierzig Kilometernach Hause zu laufen, aber Sandra hatte schon die Klingel gedrückt. Donkyschlong öffnete, schrie begeistert auf und schlabberte mich mit einem wodkageschwängerten Kuss aus meiner gerade wiedererlangten Nüchternheit heraus. Als ich endlich wieder sehen konnte, wünschte ich mir, blind zu sein.
    Im Wohnzimmer sah es wie in einer drittklassigen Doppelgängeragentur nach einem atomaren Anschlag aus. Auf dem Boden lagen etwa zweitausend leere Bierdosen, auf diesen wiederum lagen etwa vierzig volltrunkene Geschöpfe, aus denen man wohl die Zweit-, Dritt- und Viertbesetzung der Guns’n’Roses hätte zusammenstellen können, wären diese Geschöpfe denn noch des Stehens mächtig gewesen.
    Auf dem Sofa, das wie durch ein Wunder weder schwamm noch brannte, saßen Grandma und Grandpa Walton. Die beiden tranken ein Tässchen Tee und plauschten über die unerträgliche Hitze draußen, während sie das höllische Treiben drinnen gar nicht zu tangieren schien.
    Der Hardrockpöbel war gerade damit beschäftigt, die Mikrowelle aus dem Fenster zu befördern, weil angeblich unheimliche Stimmen von ihr ausgingen. Donkyschlong versuchte, mich zu beeindrucken, indem er das Eis für meinen Mojito mit einem Nachttischchen zerstieß, als

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