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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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»Ätschibätsch« zu sagen, aber es reichte auch so. Gabi-Marie wurde bleich.
    »Oh, oh, ich dachte nur, weil …«
    Weil was? Die Begründung hätte ich jetzt wirklich gerne gehört. Ich war wegen eines verknacksten Fußes und zweier stinkender Schuhe hier und sollte mit einem seelischem Knacks und einer Anzeige wegenKörperverletzung hier rauskommen? War das das Ziel der Übung? Warum, Gabi-Marie, bin ich in deinen Augen der Abschaum der Gesellschaft? Sag’s mir, oder ich sage Susanne, du hättest Susi zu ihr gesagt. Aber unsere Therapeutin verdarb mir die Gelegenheit, wirklich etwas über mich herauszufinden: »Keine Entschuldigungen an dieser Stelle. Das war doch sehr interessant. Machen Sie sich bitte keine Selbstvorwürfe deswegen, Gabriele. Das ist dieses kleine Spielchen nicht wert.«
    Wie bitte? Waren denn alle verrückt hier? Klar, hatte ich nur vergessen. Fast hätte ich angefangen zu heulen, zwang mich aber zum analytischen Nachdenken: Was an mir erinnerte an eine sitzengelassene Kassiererin? Nichts! Oder war es vielleicht meine aristokratisch gebogene Nase? Meine gewählte Ausdrucksweise? Oder meine Handschrift, die vor edlem Charakter nur so zersprang? Vielleicht die geschwollen Füße? Okay. Der Döner-Bauch? Ja. Die roten Stinker? Definitiv. Gerade wollte ich etwas Versöhnliches zu Gabi-Marie sagen, da flüsterte sie mir schon zu: »Das mit den Kindern habe ich nicht so gemeint. Also, ich dachte mir schon, dass die beim Vater leben.«
    Diese Natter! Spielte das Unschuldslamm und war nur hier, um ihre Neurosen zu pflegen und mir noch einige mit auf den Weg zu geben. Okay, wenn sie dachte, sie dürfte vom Mariechen zur Prinzessin mutieren, würde ich jetzt auch umschwenken. Ich würde der Teufel sein und sie alle holen, hahaha! Ich lächelte Gabi-Marie an und rückte ein Stückchen näher zu ihr hin,bis ich fast auf ihrem Schoß saß. Dann befahl ich meinen roten Zauberschuhen: »Stinkt, Schuhe, stinkt!« Sie gaben alles.
     
    Mittlerweile waren die anderen zu dem nächsten Partyspiel übergegangen.
    »Jetzt sucht sich jeder einen Partner. Die Übung heißt: Fels in der Brandung .«
    Das hörte sich nach optimalen Bedingungen für einen Rachefeldzug an. Ich packte Gabi-Marie beim Arm und zerrte ihn in die Höhe: »Ich mach das mit Gabi, um was geht’s?«
    Unsere Therapeutin lächelte milde. Experimentierfreudigkeit kommt immer gut an, es sei denn, man wirkt manisch dabei, so wie ich.
    »Einer der Partner steht da, und der andere versucht, ihn durch leichtes Rempeln wegzudrängen. Aber der eine ist der Fels in der Brandung und lässt sich nicht verdrängen.«
    Ich nickte begeistert und ließ dabei unvorsichtigerweise Gabi-Maries Hand los. Sie flüchtete Richtung Malte, der strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Endlich eine Frau, die er vor der bösen Welt im Allgemeinen und den roten Stinkern im Besonderen beschützen konnte. Er sah in diesem Moment so therapiert aus, dass ich einen Teil des Honorars für mich beanspruchen wollte.
    Für mich blieb Susanne übrig. Ich war mittlerweile seelisch so am Ende, dass ich das Einzige tat, was mir wirklich hilft: schmollen.
    »Ich wollte gegen Gabi rennen, nicht gegen Susi!«
    Leider hörte Susanne das, was ich fälschlicherweise für einen inneren Monolog gehalten hatte. Und leider war ich zuerst der Fels. Susanne rannte auf mich zu. Bestimmt spielte sie Handball. Oder doch eher Rugby. Und sie sah böse aus. Trotzdem rechnete ich nicht mit der Gewalt, mit der sie mich durch den Raum schleuderte.
    »Frau Buddenkotte, Sie sind ein Fels, haben Sie das vergessen? Aber schön gerempelt, sehr gut. Genauso machen Sie das bitte demnächst auf der Straße. Fordern sie Ihren Platz ein. Ich glaube, das genügt für heute.«
    Das glaubten glücklicherweise alle. Ich wurde einen Tag krankgeschrieben. Susanne auch, sie hatte sich beim Rempeln einen Finger gebrochen.
    Beim Herausgehen machten alle einen großen Bogen um mich, einige klopften Susanne auf die Schulter. Endlich habe ich extreme Sozialisierungsprobleme. Ich sollte zu einer Gruppentherapie gehen.

In Oldenburg (Niedersachsen) gibt es eine hübsche kleine Redewendung, die eine nicht ganz ernst gemeinte Androhung von körperlicher Gewalt impliziert. Sie lautet: »Hörma, du hast gleich Geburtstach!«
    Für mich stellte sich niemals die Frage, auf welches historische Ereignis sich dieser Sinnspruch wohl zurückverfolgen lässt. Ich nehme einfach an, dass er zum ersten Mal zu der Stunde ausgesprochen wurde, in der

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