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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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auch ich das Licht der Welt erblickte. Denn meine Geburtstage hauen mich buchstäblich immer wieder um.
     
    In der dritten Klasse beispielsweise hatte ich den perfekten Geburtstagsspaß organisiert. Ich wollte an diesem Nachmittag das Herz von Stefan aus der Parallelklasse erobern, und weil Knutschen in dem Alter ekelig war, musste ich mir seiner Zuneigung auf andere Weise gewiss werden. Mit 10 Packungen Super-Dickmanns wollte ich ihn auf die Probe stellen. Wenn er bei der Negerkuss-Schlacht einzig und allein auf mich zielen würde, wäre mir seine ewige Liebe sicher.
    Es fing auch ganz traumhaft an: Nicht nur, dass Stefan mich (und zwar ausschließlich mich) einfach beworfen hätte – oh nein, er streckte mich im Garten nieder, nahm mich in den Schwitzkasten und seifte mich mit Negerküssen ein. Ich tat dasselbe, leidenschaftlich und erbarmungslos. Liz Taylor und Richard Burton hätten noch eine Menge von uns lernen können.
    Mein Glück war vollkommen, minutenlang. Dann trennte mein Vater uns mit einer Heckenschere. Meine Mutter übernahm die Feinarbeit, und seitdem trug ich einen flotten Mecki-Haarschnitt.
    Abgesehen davon, dass ich mein gesamtes Geburtstagsgeld an Brot für die Welt spenden musste, war dieser Tag meine erste Lektion in punkto Männer und Ehrgefühl: Stefan sagte mir am nächsten Tag in der großen Pause, dass seine Mutter nicht mehr wolle, dass wir zusammen spielen. Aber das fände er dann auch nicht so schlimm, weil er Mädchen mit kurzen Haaren eh doof fände.
     
    Als ich elf wurde, brach ich mir beim Völkerball den Arm und war – selig. Ich würde einen echten Gips bekommen, und alle würden darauf unterschreiben. Leider war es ein komplizierter Bruch, der nur so behandelt werden konnte, dass ich in einen Ganzkörpergummischlauch gesteckt wurde. Nachts konnte ich damit nicht schlafen, und tagsüber sah es so aus, als wäre der Arm nicht nur gebrochen, sondern abgebrochen.
    Die Einzige, die das toll fand, war meine Freundin Caro, die immer mit dem Schulbus fahren musste. Sienahm mich drei Wochen lang jeden Tag mit zu sich nach Hause, weil sie mit mir als Einarmige diskussionslos auf dem heiß begehrten Behindertensitzplatz mitfahren konnte.
     
    Nachdem ich mich nach diesen deprimierenden Ereignissen für einige Jahre aus dem Birthday-Business ausgeklinkt hatte, wollte ich meinen Achtzehnten wieder mal ganz groß feiern. Nach den schweren Gefechten der Pubertät waren mir immerhin vier Freunde geblieben, einer war sogar ein Typ. Meine Eltern waren zu den Nachbarn gegangen und hatten versprochen, nicht vor halb zwei wiederzukommen, damit wir ordentlich »reinfeiern« konnten.
    Vielleicht lag es daran, dass ich meinen Geburtstag seit einigen Jahren nicht erwähnt hatte, denn irgendwie wollte keine rechte Stimmung aufkommen. Es war ein ganz normaler Abend, an dem sich fünf frustrierte Jugendliche die Wetten, dass … -Verlängerung ansahen; aber ich ahnte, dass etwas im Busch war, dass sich meine Freunde bestimmt eine sagenhafte Mitternachtsüberraschung ausgedacht hatten und es dann so richtig losgehen würde.
    Und tatsächlich: Um zehn vor zwölf erhoben sich zwei meiner Freunde und sagten verschwörerisch: »Ja, wir gehen dann mal, ne?«
    Die beiden anderen schlossen sich an. Was waren sie doch für miserable Schauspieler! Augenzwinkernd brachte ich sie zur Tür und wünschte allen eine »gute Naaacht!«. Dann holte ich schon mal den Erdbeersektaus dem Kühlschrank und wartete auf die große Überraschung.
    Es war überwältigend. Um halb eins war immer noch keiner meiner so genannten Freunde wieder aufgetaucht, dafür klingelte das Telefon. Es war meine Oma, die eigentlich nur wissen wollte, wo sie wohl ihr Nachthemd hingelegt habe und warum ich denn immer noch keinen Freund hätte.
    Danach meldete sich niemand mehr, weder am Telefon noch an der Tür.
    Wenn du in den ersten drei Stunden deines Erwachsenenlebens zwei Flaschen schal gewordenen Erdbeersekt runtergespült hast und sich deine Eltern dann auch noch darüber freuen, dass du wohl endlich alt genug bist, eine Party zu feiern, bei der nichts in die Brüche geht außer deiner Selbstachtung, kommst du auf schräge Gedanken. Der erste war: »Deine so genannten Freunde kommen wohl nicht mehr wieder.« Der zweite: »Dann geh ich jetzt auch weg.« Der erste Gedanke war richtig, der zweite fatal.
     
    Seit diesem vorläufigen Höhepunkt meiner jahrestäglichen Debakel waren gerade mal 364 Tage vergangen, und es hatte sich einiges in

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