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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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noch den Inselcode geknackt. Perfekt. Nur unsere Therapeutin scheint nicht erfreut. Tückisch grinsend und zuckersüß bohrt sie nach: »Aber Zarah, wenn du so eine Angst vor dem Sterben hast, wie willst du denn dann noch alleine mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus fliegen?«
    Zarah denkt keine Sekunde nach. Sie sieht die Therapeutin an, mit einem eiskalten Blick, und erwidert mit einer Stimme, die einem Vietnam-Veteranen zu gehören scheint: »Deswegen habe ich ja das EKG-Gerät dabei. Ich fliege nämlich erst dann los, wenn ich sicher bin, dass ich sowieso abkratze. Dann lande ich doch lieber selbst mit dem Vogel im Wasser und explodiere in tausend Stücke, als auf so einer blöden Insel mit drei Irren und einer Handtasche zu krepieren.«
    Die Therapeutin kann nicht mehr antworten, die Stunde ist zu Ende; wir lassen das einfach mal so stehen. Ich persönlich finde, dass Zarah heute einen riesigen Schritt nach vorn getan hat. Auf dem Weg nach draußen bleibt Zarah kurz neben mir stehen, berührt den Träger meiner Handtasche und flüstert: »Entschuldigung, Taschi, ich meinte natürlich vier Irre, aber das hätte die Alte echt überfordert.«
    Taschi nimmt die Entschuldigung stumm und nachdenklich an.

Übermut tut selten gut. Ich kenne mich jetzt lange genug, um zu wissen, wo meine Talente liegen. Ich bin eher dazu geboren, mich lasziv auf Liegemöbeln zu räkeln und dabei raffinierte Süßspeisen zu naschen, als in ungesunder Kunstfaserkleidung Extremsport zu betreiben.
    Trotzdem konnte ich an jenem Sonntag im Park einfach nicht widerstehen. Ich sprang von meiner Decke auf, auf der ich mich seit Stunden mondän geräkelt und Walnuss-Eis in mich hineingestopft hatte, und schrie: »Ich spiel’ mit Frisbee!«
    Die Begeisterung der anderen hielt sich in Grenzen, aber sie waren dazu erzogen worden, nett zu Minderbemittelten zu sein. Sie warfen den Frisbee tatsächlich in meine Richtung. Ganze zwei Mal. Das erste Mal duckte ich mich so geschickt, dass die Scheibe nicht direkt in meiner Hand, sondern auf dem Grill der türkischen Familie ganze fünfzig Meter hinter mir landete. Wenn so ein Frisbee auch nur ganz leicht angesengt ist, verläuft seine Flugbahn nicht mehr optimal; deswegenwar es kein Wunder, dass mein Wurf die Drei-Meter-Grenze kaum überschritt. Dennoch warfen ihn meine Mitspieler schon nach zehn Minuten wieder mitleidig in meine Richtung. Ich stürmte vorwärts, bekam das Biest zu fassen, jubelte, machte noch einen Ausfallschritt und – brach mit meinem linken Fuß in ein Erdloch ein.
    »Aua. Auaauaauauau!«
    Die anderen dachten zunächst noch, dass mein dramatisches Gehumpel der Ausklang eines Freudentänzchens sei, aber in dem Moment, als ich vor Schmerzen in den Frisbee biss, erklärten sie das Spiel für beendet – zumindest, was mich anging.
    Mein Fuß tat höllisch weh. Ich verabschiedete mich und behauptete tapfer, dass ich es die paar Meter nach Hause auch alleine schaffen würde. Ich humpelte durch den Park; auf halber Strecke überholte mich eine Entenfamilie. Zuhause kühlte ich meinen Fuß und legte ihn schön hoch, damit er sich die Lindenstraße besser ansehen konnte. Beim Tatort muckte er noch herum, aber als Der Kommissar lief, war er zum Glück schon selig eingeschlafen.
     
    Als ich ihn am nächsten Morgen weckte, tat er nicht mehr ganz so weh, aber er hatte einen Mordsschädel. Ein hühnereigroßes, strahlendblaues Furunkel hatte sich dank meiner Sofortbehandlung auf meinem Spann entwickelt.
    Meine Mutter befahl mir, den Fuß zum Röntgen ins Krankenhaus zu bringen. Hatte ich eh vorgehabt; dasProblem war nur, dass meinem Fuß wegen seiner Deformation kein Schuh mehr passte. Strümpfe auch nicht. Schließlich fand ich doch eine Fußbekleidung, die mein Fuß gequält akzeptierte: die roten Stinker . Die roten Stinker bestehen aus Vollplastik, abgesehen von ihrer äußerst saugfähigen Einlegesohle, die aus einer Art Kaugummi/Esspapier-Legierung besteht. Sie entfalten ihr volles Aroma schon nach fünf Minuten Tragezeit. Ich wollte sie schon vor Jahren entsorgen, aber ich fand sie immer sehr dekorativ, solange sie meinen Füßen fernblieben. Also reaktivierte ich die roten Stinker und ging mit ihnen Richtung Klinik.
    In all den Jahren hatten die Stinker ihre Wirkung auf die Umwelt nicht eingebüßt. Das Wartezimmer leerte sich schneller, als ich mich setzte; wenigstens kam ich so eher an die Reihe. Der Arzt war nett, bis er sich zu meinem Fuß herunterbeugen musste. Er bemerkte noch,

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